Eindrückliches ZDF-Drama über häusliche Gewalt

Um Männer geht es, die Frauen als ihr Eigentum betrachten und diesen Anspruch mit körperlicher Gewalt vertreten. Vor allem aber geht es um Frauen, die dagegen aufbegehren. Fesselndes und differenziertes Justiz-Drama.

Dass der eine schon mal „über die Stränge“ schlage, einem anderen „die Sicherungen durchbrennen“, die Frauen die körperlichen Übergriffe oft auch einfach „provozierten“ und es überhaupt gelegentlich „krache“ zwischen den Geschlechtern: Das sind nur einige von vielen verharmlosenden Umschreibungen männlicher Gewalt. Sie alle fallen in diesem starken Drama über verprügelte, traumatisierte und vergewaltigte Frauen; ausgesprochen werden sie von Männern wie Frauen, Polizisten, Schuhverkäuferinnen, Politikern und Prostituierten. Es ist eine Welt, in der sogenannte toxische Beziehungen zwischen Mann und Frau als normal angesehen werden, eher die Regel als die Ausnahme sind: Es ist die (berufliche) Welt von Annabelle Martinelli, Fachanwältin für Sexualstrafrecht.

Das Drama „Die Macht der Frauen“, das das ZDF am 30. Oktober von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt, ist der zweite Film, in dessen Zentrum die von Natalia Wörner gespielte, so nüchterne wie idealistische Berliner Juristin steht. 2020 gab es bereits „Wahrheit oder Lüge“ zu sehen, in dem es um zwei verschiedene (vermeintliche) Vergewaltigungsfälle ging; auch damals zeichnete Lars Becker für Buch und Regie verantwortlich. War das erste Drama schon gelungen, so ist die aktuelle Produktion noch runder geraten.

Der Film erzählt von der Schuhverkäuferin Doreen (Nurit Hirschfeld), die in ständiger Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann Leon (David Schütter) lebt. Dass Leon Polizist ist, macht die Sache nicht leichter. Im Gegenteil: Als Doreen sich endlich Hilfe holt, mithilfe von Martinelli in ein Frauenhaus zieht und Anzeige gegen ihren Mann erstattet, wird der von seinen Kollegen gedeckt.

Die Polizisten, die die junge Frau zur Abholung ihrer Sachen nach Hause begleiteten, lassen ein wichtiges Beweisstück verschwinden, um in den eigenen Reihen nicht als Nestbeschmutzer dazustehen. Wie folgenreich diese Behinderung der Wahrheitsfindung ist, zeigt sich später – nach dem auf tragische Weise zu Ende gegangenen Prozess gegen den häuslichen Schläger.

In einer Parallelhandlung versucht die Politikergattin Zora (Sabrina Amali), eine Haltung zu finden zu ihrem ebenfalls prügelnden Mann. Dass der gebildete Ramy (Mohamed Achour) seine Gewalttätigkeit ein wenig subtiler und mit punktueller Reue auslebt, macht es für Zora umso schwerer. Sie hofft gewissermaßen auf eine Quadratur des Kreises, will die gemeinsame Familie und Ramys (öffentliches) Gesicht schützen, ihm zugleich aber auf juristischem Wege seine Grenzen aufzeigen.

Lars Becker verzichtet bei seinem harten Thema auf Rückblenden und die Visualisierung der körperlichen und sexualisierten Gewalt gegen Frauen. Eine gute Entscheidung, vermitteln sich Brutalität und Traumatisierungen doch auch über die verbale Ebene. Wie üblich hat der Filmemacher sein Drehbuch selbst verfasst: Dessen Dialoge sind präzise und lebensnah, die Figuren und ihre Konstellationen überzeugend, die Story so fesselnd wie differenziert. Weder ist Martinelli eine strahlende Heldin noch werden hier einseitig-pathetisch Frauensolidarität oder andere allzu einfache Lösungen gefeiert. Bei der Verurteilung von Gewalt, da ist der Film allerdings glasklar.

Die Grundstimmung des Films passt gut zu dessen Hauptfigur, die idealistisch und warmherzig ist, das aber ganz gut hinter der Sachebene zu verstecken weiß. Von Martinellis Frust und ihren Selbstzweifeln erfährt nur ihr engstes Umfeld, zu dem nach wie vor ihr einstiger Chef, Ex-Liebhaber und jetziger juristischer Widersacher John Quante (Fritz Karl) gehört. Natalia Wörner spielt das toll, mit unaufgeregter Beharrlichkeit sowie einer gewissen Lakonie.

Auch die Darsteller der anderen Rollen, allen voran Nurit Hirschfeld als Doreen, sind hervorragend. Dazu kommt eine so stimmige wie packende Regie, die erfreulicherweise auf Krimi-Konventionen verzichtet, sich auf die dramatischen Implikationen des Themas konzentriert. Und dennoch Raum lässt für ein wenig (notwendige) Leichtigkeit hie und da. Ein eindrückliches, sensibles Stück Fernsehen.