Ein verlorenes Jahr für die Liebe
Wer 2020 trotz Corona heiraten will, muss Einschränkungen hinnehmen und noch besser planen. Viele verschieben ihre Hochzeitsfeier auf 2021 – dramatisch für jene, die mit Hochzeiten Geld verdienen.
Oldendorf/Kr. Stade. Veronika Wintjen und Kevin Vieth haben sich getraut. Trotz großer Einschränkungen mitten in der Corona-Pandemie haben die beiden Brautleute sich am 20. Juni in Oldendorf im Landkreis Stade das Ja-Wort gegeben. „Es fühlt sich immer noch genau richtig an, jetzt schon den Ring zu tragen und nicht bis 2021 gewartet zu haben“, sagt die 30-jährige Braut auch zwei Monate später. Damit liegt das Ehepaar eindeutig nicht im Trend der von Absagen und Verschiebungen geprägten Heiratssaison 2020. Für Hochzeitsplaner, Gastronomen, Fotografen oder Musiker, die mit dem Bund fürs Leben Geld verdienen, ist es ein verlorenes Jahr.
Wintjen und ihr Mann wollen die große Dorf-Feier in der Stader Geest mit mehr als 150 Gästen im kommenden Jahr nachholen – standesamtlich und in einem Freiluft-Gottesdienst wollte sie ihren Kevin aber unbedingt in diesem Sommer heiraten. Für die Verhandlungen mit dem Kirchenvorstand baute die Bank-Betriebswirtin eigens einen Outdoor-Sitzplan aus den Google-Maps-Aufnahmen des Kirchhofes, um die korrekte Umsetzung der Abstandsregeln zu illustrieren. Das Gremium blieb skeptisch, eine Woche vor dem Standesamts-Termin am 10. Juni war die kirchliche Trauung noch nicht genehmigt – undenkbar im langfristigen Hochzeitsgeschäft.
Braut an Covid-19 erkrankt
Schließlich gab es grünes Licht – und 70 Gäste wurden kurzfristig per WhatsApp zur Trauung unter freiem Himmel geladen, mit Masken bis zum Sitzplatz und Anwesenheitsliste statt Orgelmusik mit Keyboard und Sologesang. Dafür gab es Gottes Segen unter einem selbst gebauten Traubogen. Wintjen ist dankbar, dass letztlich alles geklappt hat. Sie und ihre engsten Angehörigen waren im März selbst an Covid-19 erkrankt, der Vater der Braut musste eine Nacht im Krankenhaus verbringen. „Wir wussten, wie ernst es mit dem Virus ist“, sagt die 30-Jährige. „Mir selbst ging es unglaublich schlecht, mein Kopf ist förmlich explodiert. Alles tat weh, ich hatte keinen Geschmacks- und keinen Geruchssinn. Es war sehr viel dramatischer als bei einer Grippe.“
Standesamtliche Trauungen finden zwar statt, den Gottesdienst samt anschließender Party verschieben die meisten Paare aber in das kommende Jahr. 20 bis 30 Hochzeiten begleiten Stefan Gellert und sein Team von „Fliederfilm“, einer Hochzeitsfilmagentur aus Hildesheim, normalerweise pro Jahr. „93 Prozent unserer geplanten Aufträge sind weggefallen“, sagt der 35-Jährige, der seit 2010 im Geschäft ist. Weil Auftraggeber oft mehr als ein Jahr im Voraus planten, seien nachgeholte Feiern für 2021 in der Mehrzahl bereits angedacht. Endgültige Gewissheit hätten die Filmprofis indes noch nicht.
Dramatisch weniger als die üblichen vier Milliarden Euro Hochzeitsumsatz pro Jahr beklagt der Bund deutscher Hochzeitsplaner. „Aufgrund der allgemeinen Verunsicherung sagt ein Großteil der Paare die Hochzeitsfeier derzeit ab oder verschiebt sie“, schrieb der Verband Anfang Juni an die Bundesregierung, forderte finanzielle Unterstützung und einfachere Auflagen für private Feiern.
„Die Feier ist wichtiger als das Virus“
Doch noch gelten in beinahe jedem Bundesland andere Regeln, in Niedersachsen etwa sind in geschlossenen Räumen maximal 50 Personen und 100 Personen draußen erlaubt. Zum Hochzeitstanz schreibt die Landesregierung: „Die wenigsten Tänze bei Feierlichkeiten sind kontaktarm, insofern sollten Sie genau überlegen, ob Sie dies ermöglichen.“
Für viele Paare wirken die Einschränkungen durch Masken und Abstand schwer. „Ich könnte die Freunde, die extra aus Moskau und den USA gekommen wären, an diesem ganz besonderen Tag nicht einmal umarmen“, sagt Anna Findert. Die 48-Jährige und ihr Lebensgefährte wollten ursprünglich am 11. Juli heiraten, hatten schon seit November dazu eingeladen. Nun haben sie ihre Feier auf Pfingsten 2021 verschoben. „Natürlich kann man in dieser Zeit trotzdem heiraten“, sagt die Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „Aber für uns wäre es einfach nicht passend gewesen. Denn die Feier soll wichtiger sein als das Virus.“ (epd)