Ein “tödliches Geschäft”: Die UN will Menschenhandel bekämpfen
Migration existiert seit Jahrtausenden. In den vergangenen Jahren wurde sie vom sozialen Phänomen immer mehr zum Geschäftsmodell, wie die Vereinten Nationen warnen –oft mit tödlichen Folgen.
Menschenschmuggel ist nicht Migration
Die UN-Organisation hat ihren Sitz in Wien. Gleich zu Beginn des Gesprächs stellt Ilias Chatzis, UNODC-Beauftragter für Menschenhandel und Migrantenschmuggel, klar: “Wir dürfen Menschenschmuggel nicht mit Migration verwechseln. Migration ist ein Phänomen und existiert seit Jahrtausenden.” Menschen finanziell auszubeuten und unter prekären Umständen in ein anderes Land zu schleusen, sei hingegen ein Verbrechen. Und müsse als solches bekämpft werden.
Auf Europas Migrationsrouten – von Spanien über das Mittelmeer bis zum Balkan – habe man bislang kein “Mastermind” – keine treibende Kraft – ausfindig gemacht. Viel eher handle es sich bei den Schleppern um ein “Flickwerk krimineller Banden, die miteinander kooperieren” und auch Waffen und Drogen schmuggeln.
Die Routen, die Menschen auf dem Weg in wohlhabendere Staaten zurücklegen, würden immer komplexer. Sogar der langjährige UN-Experte staunt darüber. “Einige führt die Reise etwa von Südasien über Afrika nach Lateinamerika, um in den Norden zu gelangen.” Für Schmuggler sei dies ein “lukratives Geschäft”. Als Paket verkauft, kann der Weg von Nahost oder Südasien nach Europa bis zu 8.500 Euro kosten, abhängig etwa von der Anzahl der geschmuggelten Personen. Jedes Jahr erwirtschaften Migrantenschmuggler zwischen fünf und 6,5 Milliarden Euro – und dies nur auf den etwa 30 Migrationsrouten, die UNODC untersuchte.
Von der Kabrik über Nordafrika nach Europa
Eine weitere transkontinentale Migrationsroute führt von der Karibik über West- und Nordafrika nach Europa. “Wir erleben, dass die Wege der Schmuggler länger und riskanter werden”, erzählt Chatzis. Berichte über Schlepper sorgen vielerorts für Entsetzen, auch in seiner Heimat Griechenland. Im Juni 2023 ertranken Hunderte Menschen; im September 2024 warfen Schleuser aus der Türkei vor der Insel Samos 31 Frauen, Kinder und Männer aus ihrem Schlauchboot. Sie wollten auf diese Weise der Küstenwache entkommen. “Für die Schmuggler ist es ein Geschäft. Sie haben wenig Interesse an Sicherheit und Wohlergehen der Migranten”, so Chatzis.
Das weiß auch Sara Kekus, Migrationsexpertin in Zagreb. Kroatien liegt auf der Westbalkanroute, laut der UN-Grenzschutzbehörde Frontex die zweitaktivste Migrationsroute Richtung Westeuropa hinter der zentralen Mittelmeerroute. “In den vergangenen sieben Jahren wurde die kroatische Öffentlichkeit Zeuge zahlreicher Autounfälle, an denen Flüchtlinge und andere Migranten beteiligt waren.” Im Mai starben bei einem solchen Unfall vier Migranten, als ihr Schleuser in einem Kleinlaster mit ungarischem Kennzeichen vor der Polizei flüchtete.
Mangel an regulären Migrationsrouten und Drittstaaten-Deals
Kekus kritisiert den politischen Kontext, in dem Migrantenschmuggel blühe: “Ein Mangel an sicheren und regulären Migrationsrouten. Pushbacks – gewaltsames Zurückdrängen – an den Außengrenzen. Blockaden von Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer. Kontroverse Deals mit Drittstaaten. Und ein Verfall des gemeinsamen europäischen Asylsystems und europäischer Werte.” Dieses politische Regime, das Schutzsuchende kriminalisiere, spiele unweigerlich den Schleuserbanden in die Hände, ist Kekus überzeugt.
Auch UN-Experte Chatzis ist sich der “politischen Brille” bewusst, durch die Regierungen das Problem von Schleuserkriminalität betrachten, ist sie doch untrennbar mit der innenpolitischen Stimmung verbunden. UNODC unterstützt die Staaten: von der Gesetzgebung über Gerichtsprozesse gegen Schleuser bis zu Konferenzen, an denen alle Länder entlang einer bestimmten Migrationsroute teilnehmen. Ein Problem ist laut Chatzis, dass selbst Nachbarstaaten oft keine Informationen über Schleuserbanden austauschten. Er plädiert daher für verstärkte Zusammenarbeit. “Ein Land allein wird das Problem nicht lösen.”