Ein stiller Weltretter

Schon in den 80er Jahren setzte sich Pastor Klaus Onnasch für Gleichberechtigung von Homosexuellen und Naturschutz ein. Das brachte ihm nicht nur Freunde. Jetzt wird der Theologe aus Kronshagen bei Kiel 85 Jahre alt.

Trauer und Freude lassen sich nicht trennen. Was Klaus Onnasch über die Trauerarbeit erarbeitet hat, gilt auch für ihn selbst
Trauer und Freude lassen sich nicht trennen. Was Klaus Onnasch über die Trauerarbeit erarbeitet hat, gilt auch für ihn selbstCatharina Volkert

Kronshagen. Gerade hat er noch einen Vortrag über Trauerarbeit gehalten. 120 Menschen haben ihm zugehört. Bald will er nach Uganda und Tansania fliegen. Felder einweihen, Hoffnung säen, Freundschaften pflegen. Freundschaften, die vor 44 Jahren mit einem Asylbewerber in Kiel begannen. Klaus Onnasch ist Pastor im Ruhestand, war langjähriges Synodenmitglied und Autor – ein stiller Weltretter, der den Dialog sucht, um Menschen ins Handeln zu bringen.

Am 27. Oktober wird der Theologe 85 Jahre alt. „Ich bin so glücklich und dankbar, dass diese Reise stattfinden kann“, sagt er kurz vor seinem Abflug. Klaus Onnaschs Freude ist ansteckend. Wer mit ihm spricht, macht sich auf eine rasante Reise von Kronshagen bei Kiel auf den afrikanischen Kontinent, in die Türkei, durch Trauer und Freude. Durch viele Projekte, die alle eins gemeinsam hatten: Menschen miteinander zu verbinden.

Nie im Zentrum

Ins Zentrum der Öffentlichkeit rückte Onnasch nie. „Ich habe versucht, den Aufstieg zu vermeiden, und immer den Weg nach unten gesucht“, sagt er. Den Weg an die Basis, um den Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren. Seine Themen brachte er dennoch ein.

Von 1979 bis 1997 war er Mitglied der nordelbischen Synode. Als Sprecher des Innitiativkreises Nordelbische Synode (INES) brachte er viele Themen ein, die auch heute noch ebenso aktuell sind: Frieden (1983), Verantwortung vor Gott für seine Schöpfung (1988), Weltwirtschaft und Gerechtigkeit (1995). „Die Themen waren einfach dran. Und zwar nicht nur so, dass man darüber spricht, sondern dann auch handelt und etwas bewegt“, sagt Onnasch. Bewegt haben er und seine Mitstreiterinnen einiges. Zum Beispiel den Schuldenerlass für Uganda unter der Voraussetzung, eine Schulgeldfreiheit in dem afrikanischen Land zu schaffen. Das geht natürlich nicht allein. Neben Menschen in Kirche und Politik setzte er auch auf Flüchtlinge als Verbindungsleute in die Heimat. Ebenfalls mit Hilfe von Flüchtlingen begann die Zusammenarbeit mit der südtürkischen Stadt Antakya, dem früheren Antiochia, der Stadt der ersten Christenheit außerhalb Jerusalems. Heute ist sie Partnerstadt von Kiel. Zuletzt war Onnasch im Mai dort.

1988 empfängt Klaus Onnasch (re.) Besuch aus Uganda in Kronshagen
1988 empfängt Klaus Onnasch (re.) Besuch aus Uganda in Kronshagenepd-Archiv/Paul Gregan

Onnasch, der selbst den Zweiten Weltkrieg und die Bombennächte erlebte, ist Pazifist durch und durch. „Sprich nie mit dem Feind. Weiche keinen Zentimeter – das sind Aussagen, die es schon einmal gab.“ Er setzt auf Verständigung und Kommunikation – damals wie heute im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. So entstand die „Aktion Weizenkorn“, ein zentrales Symbol sowohl im Christentum als auch im Islam. Getragen durch ein breites Interreligiöses Bündnis und die Stadt Kiel, werden Weizenkörner als Hoffnungszeichen verteilt. Hoffnung, die auch die Getreidefrachter geben, die fernab der medialen Aufmerksamkeit inzwischen die Ukraine verlassen. „Mehr als 200 Schiffe waren es bis Ende September, etwa 40 von ihnen sind nach Afrika gefahren“, sagt Onnasch. „Das ist es, was wir wollen: sehen, was möglich ist, und dann handeln.“

Für diese Handeln sucht er immer wieder Mitstreiter. Nicht nur in der Kirche, auch außerhalb.

Bischofskandidatin scheiterte

1990 scheiterte die von ihm eingebrachte Ruth Rohrandt in der Bischofswahl gegen Propst Hans-Christian Knuth. 1992 wurde Maria Jepsen die weltweit erste lutherische Bischöfin. Verbittert, dass seine Themen erst Jahre später ihre Anerkennung bekommen haben, ist er nicht. „Alles hat seine Zeit“, sagt er. Dennoch habe es auch schwere Zeiten gegeben. 1997 zum Beispiel, als er das Thema Gleichberechtigung von Homosexuellen in der evangelischen Kirche in die Synode einbrachte. Durch Veto brachten die damaligen Bischöfe Knuth und Karl Ludwig Kohlwage den Beschluss zu Fall. „Das war eine ganz, ganz schwere Erfahrung“, sagt Onnasch heute. „Das Schlimme an Macht ist, wenn es keine Auseinandersetzung mehr gibt. Dann lässt sie einen verstummen.“

Auch Onnasch wurde stiller. 1995 starb sein Sohn. Onnasch trat einen Schritt zurück. Er verzichtete auf Gehalt und teilte seine Stelle in Kronshagen bei Kiel mit einem jungen Pastor. Seine Frau starb. Teile seiner Gemeinde verübelten ihm das politische Asyl eines Mannes aus dem Kongo, der abgeschoben werden sollte. „Ich war geschwächt in der Zeit“, sagt er heute. Doch er machte weiter. Im Kleinen. Nahm seine Erfahrungen, begann aktiv mit der Trauerbegleitung und -forschung und stellte in Buch und Vorträgen dar, wie Trauer und Freude zusammengehören. So ist es auch die Trauerbegleitung, die ihn in den kommenden Wochen nach Uganda und Tansania führt. Mit 200 Frauen wird er dort arbeiten. Und Geburtstag feiern. Denn Freude und Trauer lassen sich nicht trennen im Leben. Das gilt auch, vielleicht sogar besonders für Klaus Onnasch.