Ein langer Weg zur neuen Synagoge

Dem windigen Schneeregenwetter zum Trotz war es eine fröhliche Veranstaltung: Die Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg konnte am Freitag endlich ihr neues Gotteshaus beziehen. Zwei große Thora-Rollen in dunkelblauen Samthüllen wurden unter einem Baldachin in einer kurzen Prozession zur neuen Synagoge getragen, wo anschließend der erste Gottesdienst gefeiert wurde. Musiker spielten fröhliche Melodien, die Gemeindemitglieder klatschten und sangen, die Stimmung war trotz der Terrorangriffe auf Israel gelöst.

Am Sonntag nun folgte eine Feierstunde zur offiziellen Eröffnung. Die Prozession am Freitag startete von einem symbolhaften Ort. Hier, wo heute ein riesiges Mahnmal steht, stand bis zum 9. November 1938 die alte Synagoge. In der Reichspogromnacht wurde das Bauwerk, 1851 eingeweiht und 1897 erweitert, von innen komplett zerstört, später wurde es ganz abgetragen.

Nach Kriegsende lebten nur noch wenige Juden in Magdeburg. Das änderte sich erst mit dem Fall der Mauer. Zahlreiche Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zogen nach Deutschland, die Gemeinde wuchs wieder – und damit auch die Idee, der Stadt wieder ihre Synagoge zurückzugeben. 1999 entstand ein Förderverein, der Gelder einwerben sollte. Unter der Leitung der früheren Pastorin und Superintendentin im Evangelischen Kirchenkreis Magdeburg, Waltraut Zachhuber, hat er bis heute nach eigenen Angaben rund 500.000 Euro für den Bau gesammelt.

Doch bis der erste Spatenstich vollzogen werden konnte, gestalteten sich die Neubaupläne schwieriger als gedacht. 2016 gründete sich ein 16-köpfiger Beirat. Vertreter etwa des Landtages und der Landesregierung sowie der jüdischen Gemeinschaft wollten den gordischen Knoten lösen – und gerieten unter anderem in Streitigkeiten innerhalb des Judentums.

Denn 2005 spaltete sich die Liberale Jüdische Gemeinde ab, die heute nach eigenen Angaben rund 120 Mitglieder hat. Sie gehört der „Union progressiver Juden in Deutschland“ an, lässt unter anderem weibliche Rabbiner sowie ein gemeinsames Gebet von Frauen und Männern zu. Geleitet wird sie heute von der gebürtigen Ukrainerin Larisa Korshevnyuk. „Wir haben gleich gesagt, bauen Sie ein Haus mit zwei Gemeinden unter einem Dach“, sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Doch die Kosten liefen aus dem Ruder – und die Politik setzte auf die Synagogen-Gemeinde als Partner. Die liberalen Juden blieben beim Neubau außen vor. Deren Gemeindemitglieder dürften zwar dort an den Gottesdiensten teilnehmen, aber nicht im eigenen Ritus feiern. „Inakzeptabel“ nennt das Korshevnyuk: „Gerade in diesen Zeiten verstehe ich das nicht und bin bitter enttäuscht.“

Doch Waltraut Zachhuber verweist auf die historischen Zusammenhänge: So sei die heutige Gemeinde Rechtsnachfolgerin der früheren Synagogen-Gemeinde. Und das Land Sachsen-Anhalt habe Unterstützung für diese eine Synagoge zugesagt – als Wiedergutmachung für die NS-Zeit. „Hier haben wir als Deutsche eine Bringpflicht“, betont Zachhuber.

2018 präsentierte ein Magdeburger Architekturbüro schließlich einen reduzierten Entwurf. Ende 2019 schenktw die Stadt Magdeburg der Gemeinde das Baugrundstück. Zwei Jahre später gab das Land grünes Licht, sodass am israelischen Unabhängigkeitstag, dem 5. Mai 2022, der erste Spatenstich vorgenommen werden konnte. Am 14. September 2022 wurde der Grundstein gelegt, jetzt im Dezember konnte die heute rund 400 Mitglieder zählende Gemeinde ihren Neubau beziehen.

Und dieses Ereignis feiert die Gemeinde – dem Hamas-Terror zum Trotz. Schließlich habe man 85 Jahre auf die neue Synagoge gewartet, sagt die Vorstandsvorsitzende Inessa Myslitska. Doch sie bekennt auch: „Die Situation ist schwierig. Dutzende von uns haben Verwandtschaft in Israel.“ In Magdeburg fühlten sich die Gemeindemitglieder aber gut geschützt. „Das ist für uns die beste Argumentation, dass wir hier Freunde gefunden haben, die jüdisches Leben unterstützen.“