Ein Kämpfer für Menschen in Not

Reymar von Wedel verhandelte im Auftrag der Kirche über die Freilassung politischer Gefangener der DDR. Am 15. Januar starb er. Karl-Heinrich Lütcke mit einem Nachruf.

Kirchenjurist Reymar von Wedel (1926–2023) starb am 15. Januar.
Kirchenjurist Reymar von Wedel (1926–2023) starb am 15. Januar.Günter Jeschonnek

Wenn Reymar von Wedel das ­Gefühl hatte: Da muss ich mich ­engagieren, dann schritt er zur Tat. Er ging in ­einer heraufordernden Situation seiner Kirche in deren Dienst und übernahm schwierige Missionen und Mandate, er intervenierte beim Propst („Dahlem braucht ­einen guten Prediger!“), oder schrieb Leserbriefe, wenn ihn etwas ärgerte. Als Synodaler griff er mit kräftigen ­Beiträgen in die Debatten ein. Er konnte kantig sein, aber mit einem ­Lachen auch einlenken.

Nach dem Krieg, im Jahr 1952, hatte der junge Jurist ein günstiges Angebot der Firma Siemens. Aber in der Landessynode hörte er im Bericht des Bischofs Dibelius von all den Schikanen, denen die Kirche in der DDR ausgesetzt war. Über Nacht entschloss er sich, bei Siemens abzusagen und Kirchenjurist zu werden. Sein Aufgabengebiet war das Arbeitsrecht, aber schon damals übernahm er auch Aufgaben zur juristischen Unterstützung der Arbeit von Kurt Scharf. Der war Propst für Brandenburg, durfte aber nicht mehr in die DDR einreisen, und so kümmerte er sich von West-Berlin aus um alles, was den Osten betraf, zum Beispiel die Sorge für die Christinnen und Christen in Haftanstalten der DDR.

Freikauf von Verurteilten

Als Scharf 1961 Ratsvorsitzender der EKD wurde, bestimmte er Reymar von Wedel zu seinem persönlichen Referenten. Die Haftangelegenheiten sollten sich in dieser Zeit zum Lebens­thema für von Wedel entwickeln. 1968 beantragte er seine Entlassung aus dem kirchlichen Beamtenverhältnis, ausdrücklich mit dem Ziel, als Rechtsanwalt und Notar weiter für die Kirche zu arbeiten. Das wichtigste Projekt war der Freikauf von Menschen, die in der DDR aus politischen Gründen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt waren.

Zunächst hatte Scharf über von Wedel versucht zu klären, welche Möglichkeiten es ­gebe, Urteile in der DDR anzufechten. Als das nicht gelang, kam Scharf auf die Idee, der DDR wirtschaftliche Gegenleistungen anzubieten. Man kann sich vor­stellen, welche schwierigen und brisanten Verhandlungen mit kirchlichen und staatlichen Stellen in West und Ost dafür nötig waren. Bischof Scharf vertraute bei dieser Aufgabe voll auf die Fähigkeiten von Wedels. Der hatte dabei auf kirchlicher Seite vor allem mit Manfred Stolpe, auf staatlicher Seite mit dem Rechtsanwalt Wolfgang Vogel zu tun. Das damit verbundene Zwielicht nahm er in Kauf.

Das Lebensthema blieb ihm bis zuletzt. Anlässlich seines 90. Geburtstags gründete er in Erinnerung an Kurt Scharf eine Stiftung zur ­Hilfe für inhaftierte Christen. Nun ist er am 15. Januar im hohen Alter von 97 Jahren gestorben. Viele einzelne Menschen, aber auch die Kirche sind ihm zu großen Dank verpflichtet.

Karl-Heinrich Lütcke war 1996 bis 2005 Propst der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg Schlesische Oberlausitz.

Die Trauerfeier für Reymar von Wedel findet am Dienstag, dem 14. Februar, um 11 Uhr in der St. Annenkirche in Berlin-Dahlem statt.