Ein improvisierter Neuanfang

Der Bundeswehrstandort Stadum hat wieder eine eigene Militärseelsorge. Pastorin Heike Radtke kümmert sich seither um die Soldaten des Standorts. Hier erzählt sie von ihrer ersten – oftmals recht improvisierten – Zeit.

Das fehlt doch was? Einen Computer musste Militärpfarrerin Heike Radtke erstmal leihen
Das fehlt doch was? Einen Computer musste Militärpfarrerin Heike Radtke erstmal leihenJan Matthies

Stadum. Bis zum Jahr 2006 gab es am Bundeswehrstandort Stadum ein eigenständiges Militärpfarramt. Nach der drastischen Reduzierung militärischer Einrichtungen hielt man dieses jedoch für überflüssig und übertrug die Betreuung der Soldaten kurzerhand dem Militärpfarramt in Husum. Glücklich war damit keiner. Schon bald stellte sich heraus, dass es wichtig ist, aufgrund der besonderen Herausforderungen am Eloka-Standort Stadum, die dort arbeitenden Menschen auch vor Ort zu betreuen. Eloka steht für Elektronische Kampfführung.

Der Schichtdienst, der hier rund um die Uhr geleistet wird, die beengten Räumlichkeiten, das Gefühl der Nichtdazugehörigkeit im abgelegenen Außenstandort Bramstedtlund, all das ist belastetend für die Soldaten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Wunsch nach einer Militärseelsorge vor Ort dringlicher wurde.

Der erste Tag

Irgendwann wurde er erhört. Diese Kunde drang auch in die ferne Schweiz, wo ich zu der Zeit als Gemeindepfarrerin tätig war. In einem neuen Arbeitsfeld etwas Neues aufbauen, das reizte mich. Am 1. November trat ich meinen Dienst an. Mein erster Tag führte mich ins evangelische Kirchenamt für die Militärseelsorge in Berlin. Neben Organsisatorischem stand auch der erste von mehreren Einführungslehrgängen auf dem Plan: „Verwaltung und Recht“.

Hoch motiviert und neugierig stellte ich mich der Herausforderung. Und die war gewaltig. Schon bald schwirrten Begriffe wie BwDLZ, BAIUD, Stiewi oder HESB durch den Raum. Ich hörte mit Staunen, was alles beim Führen eines Dienstwagens zu beachten ist und begann zu ahnen, welche Flut an Formularen mich von nun an verfolgen würde.

Heike Radtke Foto: Privat
Heike Radtke Foto: Privat

Nach bestandenem Abschlusstest reiste ich nach Nordfriesland. Ich freute mich auf meinen Pfarrhelfer Volker Wolenberg. Ich traf ihn in einem Kämmerchen an, vollgestellt mit Kisten und Materialien. Unsere eigentlichen Arbeitsräume standen uns zwar zur Verfügung, waren allerdings vollkommen leer. Die Einrichtung war nicht auffindbar. Später erfuhr ich, dass sie in Neumünster darauf wartete, die Weiterreise antreten zu können. Kurzerhand organisierte mein Pfarrhelfer ein paar provisorische Möbel. Nostalgische Gefühle wurden dabei bei in mir wach, denn ich fühlte mich an den ein oder anderen selbst­organisierten Umzug in meiner Studentenzeit erinnert.
Dann konnte es losgehen. All das, was ich in Berlin gelernt hatte, sollte nun zur Anwendung kommen. Doch weit gefehlt. Das wichtigste Ausstattungsstück eines fortschrittlichen Büros – und fortschrittlich wollen wir ja sein – fehlte: der Computer.

Unsere beschränkten Möglichkeiten hatten aber auch ihr Gutes. Wir hatten Zeit. Zeit, in aller Ruhe den Standort und die dort arbeitenden Menschen kennenzulernen. Und so gingen wir durch die Kompanien, stellen uns vor, versprachen, die Wünsche nach Rüstzeiten baldmöglichst zu erfüllen und trafen dabei auf Soldaten, die dankbar und voller Freude darüber waren, nun wieder Ansprechpartner vor Ort zu haben.

Kurzer Dienstweg

Ihre Zusicherung, uns alle möglich Hilfe zuteilwerden zu lassen, stieß allerdings dort an Grenzen, wo sie auf Bürokratie traf. Nicht selten fand ich mich in ein kafkaeskes Szenario versetzt. Beispielsweise als man das Passfoto, mit dem ich nur einige Monate zuvor problemlos einen deutschen Reisepass ausgestellt bekommen hatte, nun für untauglich befand, meinen Dienstausweis zu zieren. Ein neues Foto musste her.

Die Ausstellung eines Antrags für die Anfertigung eines neuen Fotos durch eine ortsansässige Fotografin sollte auf digitalem Weg erfolgen. Nachdem mein Pfarrhelfer und ich uns mehr als anderthalb Stunden vergeblich damit abgemüht hatten, beschloss ich den Dienstweg zu verlassen und den Weg über die Straße ins Stabsgebäude zu nehmen. In weniger als fünf Minuten hielt ich das Dokument in der Hand.

Vor ein paar Tagen haben unsere Möbel den Weg zu uns gefunden. Ausgestattet mit Leihcomputern hat die eigentliche Arbeit begonnen. Den Entschluss Militärseelsorgerin zu werden habe ich bislang nicht bereut.