Ein echt krasser Fall
Ein todkranker Fußballfan, ein Video im Internet und die Frage, ob die Christinnen und Christen nicht alle besoffen sind: Warum das mit Pfingsten zu tun hat. Und uns alle betrifft.
Es war eine Sternstunde moderner Kommunikation. Und sie kam völlig unerwartet. Als letzte Woche das Topspiel des europäischen Fußballbetriebs anstand – Liverpool gegen Tottenham im Endspiel der Champions League –, sendete das Team von Liverpool vor Beginn des Spiels ein Video: einen Gruß an einen treuen Fan, der das Spiel der Spiele nur noch todkrank zuhause vom Pflegebett aus verfolgen konnte. Rührende, herzliche Worte, ein bisschen betreten, nach dem Motto: Wir denken an dich. Was kann man in so einer Situation sonst auch sagen?
Bis Jürgen Klopp zu Wort kam, der Star-Trainer des Liverpooler Teams. Er schloss mit den Worten: Du weißt, ich bin Christ – also: Man sieht sich.
Und die Dämme brachen. Weltweit schossen Menschen die Tränen in die Augen. Millionenfach wurde das Video im Internet angeschaut (Seite 2). Die christliche Botschaft, dass kein Mensch verloren geht, zusammengefasst in sechs Worte: Ich bin Christ – man sieht sich. Es kann so einfach sein.
Aber wer hätte das vorher wissen können? Als Jürgen Klopp diese sechs Worte sagte, wird er nicht damit gerechnet haben, sich beliebt zu machen. Es hätte auch ganz anders kommen können. Menschen machen sich gerne lustig, wenn andere von Gott und dem ewigen Leben erzählen. Sie spotten. Man macht sich angreifbar, wenn man von seinem Glauben spricht.
Ein krasser Fall wird in der Bibel in der Pfingstgeschichte erzählt. Die Jünger, nach dem Tod ihres Meisters Jesus noch immer verängstigt, erleben plötzlich eine gewaltige Veränderung. Kraft erfüllt sie, Hoffnung, Zuversicht: Der Heilige Geist kommt über die junge Gemeinde (Seite 10).
Und die Menschen um sie herum? Sie spotten: Die sind ja besoffen (Seite 2)! Und doch war das damals die Geburtsstunde des Christentums. Mit allen Fehlern, Schwächen und Sünden, die im Lauf von bislang 2000 Jahren dazugehörten: Es war kein laues Lüftchen, das damals wehte. Sondern ein gewaltiger Sturm, ein Orkan der Veränderung.
Wir brauchen Veränderung. Wir sehnen uns danach. Wir. Hier. Heute.
Als neulich ein junger Mann im Internet über die Trägheit der etablierten Parteien und der Gesellschaft wetterte, da zürnte und spottete halb Deutschland über ihn. Die andere Hälfte war begeistert. Rezo, so der Künstlername des jungen Mannes, sprach mit geradezu prophetischer Erscheinung aus, was Millionen andere empfinden: Die Welt geht vor die Hunde. Und wir haben uns daran gewöhnt. Klima, Kriege, Migration, Waffenlieferungen, Gesundheitspolitik – so vieles im Argen. Und wir schnarchen vor uns hin.
Wir brauchen den Geist der Veränderung. In der Politik. Zuhause. Am Arbeitsplatz. In der Kirche. Woher soll die Kraft kommen?
Pfingsten lehrt: Diese Kraft ist unverfügbar. Sie ist nicht machbar. Aber sie ist nicht unmöglich. Beten wir um diese Kraft. Strengen wir uns an für die Veränderung. Selbst wenn die Leute um uns herum uns als Träumer, Spinner oder Berauschte abtun.