Ein Bekenntnis zur Toleranz

Jurist Karl Heinrich Ulrichs war ein Kämpfer gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Jetzt erinnert eine Bronzetafel in Burgdorf an sein Engagement.

Burgdorfs Superintendentin Sabine Preuschoff-Kleinschmit und der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamts, Arend de Vries, vor der Bronzetafel für Karl Heinrich Ulrichs.
Burgdorfs Superintendentin Sabine Preuschoff-Kleinschmit und der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamts, Arend de Vries, vor der Bronzetafel für Karl Heinrich Ulrichs.Sandra Köhler

von Sandra Köhler

Burgdorf. Lange war er in den Tiefen der Burgdorfer Stadtgeschichte untergetaucht: Der Burgdorfer Jurist Karl Heinrich Ulrichs, vom Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch als "erster Schwuler der Weltgeschichte" bezeichnet. Nicht einmal Bürgermeister Alfred Baxmann war bis vor einem Jahr, der Enkel des ehemaligen Burgdorfer Superintendenten Johann Heinrich Heinrichs ein Begriff, der 1867 auf dem Deutschen Juristentag in München die Forderung erhob, die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen und ihre gesellschaftliche Ausgrenzung zu beenden. Und damit einen Tumult sondergleichen heraufbeschwor.

Gäste aus Politik und Gesellschaft

Nun – 121 Jahre nach seinem Tode – blickt jener Vorreiter für Toleranz auf Betreiben des ehemaligen Pastors an St. Pankratius, Rudolf Bembenneck, von einer Bronzetafel an der Mauer der Superintendentur auf die Stadt. Nicht unbeachtet von der Öffentlichkeit: Rund 40 Gäste aus Politik und Gesellschaft, darunter auch Hans Hengelein vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, hatten sich zur Enthüllung durch Superintendentin Sabine Preuschoff-Kleinschmit eingefunden. Die Ehrung komme zwar spät, aber zum richtigen Zeitpunkt, sagte Bürgermeister Baxmann: "Wir leben in Zeiten, die wieder Bekenntnisse brauchen – Bekenntnisse zu Toleranz und Respekt gegenüber denen, die anders sind."

Kämpfer für das Recht von Minderheiten

"Karl Heinrich Ulrichs ist als erster öffentlich für die Gleichstellung der Homosexuellen eingetreten", sagte Bembenneck über das Wirken des Mannes, der im Alter von 10 Jahren nach Burgdorf kam, dort seine wichtigsten Schriften verfasste und auch verhaftet wurde: "Sein Engagement war darüber hinaus grundsätzlicher Art: Für die Freiheit des Individuums hat er gekämpft, für das Recht der Minderheiten, für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, für die Menschenwürde, für die politische und für die individuelle Freiheit gegen jede Art von Unterdrückung." Die Erfüllung seiner Forderung hat er nicht mehr erlebt: Erst im Jahr 1994 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Strafgesetzbuch im Sinne Ulrichs geändert worden.
"Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen": Mit diesen Worten von Kurt Marti begann Superintendentin Preuschoff-Kleinschmit ihre Ansprache vor der Enthüllung der Bronzetafel. "Für mich passt dieses Wort heute an dieser Stelle gleich in doppelter Hinsicht", sagte sie: "Mit Ulrichs hat sich einer eingesetzt für Menschen, deren Würde mitnichten geachtet wurde. Er hat nicht locker gelassen, sondern forderte erstmals öffentlich die Straffreiheit gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen, da diese auf einer natürlichen Veranlagung beruhten. Und- das sage ich: Wie kann man einen Menschen für die Veranlagung verurteilen und bestrafen, die Gott ihm geschenkt hat?".

Ein langer Weg auch für die Kirche

Dass auch die Kirche sich schwer tat, darüber referierte Arend de Vries, der geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamts: "Das war in der Tat ein langer Weg. Ein langer Weg, der unserer evangelischen Kirche auch nicht zur Ehre gereicht." Lange hätten Homosexuelle auch hier zu einer diskriminierten Minderheit gehört. Mittlerweile gibt es Segnungen für Paare jeder Konstellation, gleichgeschlechtlich liebende Pastoren können mit ihren Partnern offen in Pfarrhäusern wohnen.

Zur Homosexualität gebe es, so de Vries, in der Bibel keine einzige positive Aussage. "Heute wissen wir, dass die Aussagen der Bibel zum Verbot von gleichgeschlechtlichen Beziehungen in eine andere Kultur und Gesellschaft hineingesprochen wurden, dass dort angesprochene Sexualpraktiken in keiner Weise vergleichbar sind mit dem, was wir heute unter gleichgeschlechtlicher Liebe und Partnerschaft verstehen", machte de Vries deutlich. Sexualität sei ein unabtrennbarer Teil des in seiner Ganzheit von Gott geschaffen Menschen. Deshalb gelte die Gottesebenbildlichkeit für alle gleichermaßen: "Solange homophobe Strömungen in unserer Gesellschaft, aber auch in der Kirche auftreten, wollen wir dem entgegentreten. Solange Menschen darunter leiden, dass sie anders leben und lieben wollen als die Mehrheit tut, wollen wir nicht schweigen. Das sind wir der langen Geschichte schuldig, mehr aber noch den Menschen, die von Gott geliebte Menschen sind, unsere Schwestern und Brüder."