Aus Sicht des Bremer Politikwissenschaftlers Andreas Klee lohnt es sich, bei der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar kleineren Parteien eine Stimme zu geben. „Auch wenn sie am Ende unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, sind sie aus meiner Sicht nicht bedeutungslos, sondern haben Einfluss auf demokratische Prozesse und die Parteienlandschaft“, sagte Klee dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zur Bundestagswahl wurden laut Bundeswahlausschuss 41 Parteien zugelassen, von denen 29 teilnehmen.
Sowohl inhaltlich-ideologisch als auch arithmetisch mit Blick auf die Sitzverteilung im Parlament hätten kleine Parteien Einfluss, führte der Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik der Universität Bremen aus. „Wenn etwa die Stimmen für die Gruppe der Sonstigen größer ist, verfügen die anderen Parteien prozentual gesehen über einen kleineren Teil des Gesamtkuchens.“ Entsprechend werde es dann immer wahrscheinlicher, dass für eine Regierungsbildung drei Koalitionäre nötig seien.
Andererseits öffneten Kleinparteien, die die anspruchsvollen formalen Voraussetzungen des Bundeswahlausschusses erfüllten, einen Raum für gelebte Beteiligung. Klee: „Sie leisten einen Beitrag zur demokratischen Zivilgesellschaft, indem sie Interessen bündeln und in das demokratische System einspeisen – einer der Kernaufgaben der Parteien. Sie greifen systemkonform Themen und Interessen auf, die möglicherweise noch nicht repräsentiert werden.“ Das sei wesentlich für eine demokratische Gesellschaft. Die Grünen in ihren Anfängen seien ein Paradebeispiel dafür.
Dadurch entsteht nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers auch „ein gewisser Experimentierraum“, der Menschen an das Parteiensystem heranführt. „Das ist ein Beitrag zur politischen Sozialisation und besser, als beispielsweise aus Protest gar nicht zur Wahl zu gehen. Kleinparteien bieten Menschen so eine Plattform, um Unzufriedenheit auszudrücken. Sie halten sie im Kontakt mit dem demokratischen System.“ Eine Stimme könne einer kleinen Partei überdies auch finanziell helfen. Denn sobald sie mindestens 0,5 Prozent der gültigen Zweitstimmen erhalte, habe sie Anspruch auf die staatliche Parteienfinanzierung.
Neben der inhaltlich-ideologischen Seite gebe es bei der Wahlentscheidung aber auch die strategische Dimension, um möglichst erfolgversprechend beispielsweise rechtsextremen Positionen entgegenzutreten, sagte Klee. „Da taucht dann die Frage auf, wer mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundestag kommt.“ Ideologisch und strategisch, das seien die beiden Pole, zwischen denen sich jede Wählerin und jeder Wähler entscheiden müsse: „Beides hat seine Berechtigung.“