Ehrung im Schloss Bellevue für ehrenamtlichen Beerdigungsbegleiter

Immer mehr Menschen sterben einsam. In Berlin ist Johannes Mesus da, auch wenn keiner zur Beerdigung kommt. Für diesen ehrenamtlichen Einsatz wird der Mann mit Down-Syndrom jetzt ausgezeichnet – vom Bundespräsidenten.

Der Tod ist sowas wie sein Freund. Er gehört für ihn zum Alltag. Mehr als 200 Bestattungen hat Johannes Mesus in den vergangenen Jahren in ganz Berlin begleitet. Jede zehnte davon fand ohne Angehörige und Freunde des Verstorbenen statt. Die Menschen, die beerdigt wurden, kannte der 39-Jährige in der Regel nicht.

Sie kämen „aus einem inneren Antrieb“ heraus, sagt sein Vater Georg Mesus, 69 Jahre alt. „Jeder Mensch, der gelebt hat, muss auch würdig bestattet werden“, findet der ehemalige Polizist. Es sei einfach „zu deprimierend“, wenn niemand komme. Johannes sagt: „Es ist traurig. Aber es macht auch Spaß.“

So sind Vater und Sohn zur Stelle, als an diesem grauen Mittag die Friedhofsglocke auf dem Sankt-Philippus-Apostel-Kirchhof in Wedding bimmelt und zur Trauerfeier für eine unbekannte Verstorbene ruft. Johannes, der das Down-Syndrom hat, hat über den Kapuzenpulli sein schwarz-weißes Messdienergewand gezogen und trägt ein langstieliges Kreuz. Er steht neben Dominikanerpater Thomas Treutler vor der Urne, die mit roten Blumen geschmückt ist und vor der Kerzen brennen. Sein Vater in dunkelblauer Windjacke, hält sich im Hintergrund. Um 13.00 Uhr schließt der Urnenträger die Tür. Alle Stühle in der Kapelle sind leer.

Dafür, dass er seit Jahren bei Wind und Wetter seinen Dienst versieht – „damit überhaupt jemand kommt“ – wird Johannes Mesus am Montag zum Tag des Ehrenamts von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit der Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet. Mit seiner Mutter war Johannes einkaufen für den Besuch im Schloss Bellevue: Dunkles Sakko mit Hemd und Weste wird er bei der Ehrung tragen – aber „ohne Krawatte“, sagt er ablehnend – und verzieht das Gesicht.

Ein einsames Begräbnis ist ein Phänomen, das – zumindest für Berlin – zuzunehmen scheint: Im Jahr 2017 gab es rund 2.180 ordnungsbehördliche Bestattungen, im Jahr 2022 waren es etwas mehr als 2.600. Für das erste Halbjahr 2023 wurden bereits mehr als 1.500 verzeichnet. Eine solche Bestattung erfolgt, wenn keine Angehörigen des Verstorbenen vorhanden oder zu ermitteln sind, keine Vorsorge getroffen wurde und auch kein anderer für die Bestattung sorgt.

Meist finden solche Begräbnisse auf dem Domfriedhof Sankt Hedwig in Berlin-Mitte statt, den eine Berliner Tageszeitung einmal „den Armenfriedhof der Stadt“ nannte – obwohl hier auch Berliner Prominente wie die Hotelier-Familie Adlon ihre Grabstätte haben.

Von seiner Behindertenwerkstatt im Nordosten Berlins, die vom Sozialdienst katholischer Frauen getragen wird, wird Johannes Mesus für die Teilnahme an den Beerdigungen eigens freigestellt. Normalerweise arbeitet er dort fünf Tage die Woche mehrere Stunden lang, klebt etwa das Haltbarkeitsdatum auf Tüten mit Nahrungsergänzungmittel oder füllt Tee ab.

Olaf Tuszewski, Diakon der Gemeinde Sankt Elisabeth, kennt Georg und Johannes Mesus schon lange. Gemeinsam hatten sie die Idee zur ehrenamtlichen Begräbnisbegleitung. Diese funktioniere aber nur, wenn die Gemeinde rechtzeitig davon erfahre, betont Tuszewski. „Es ist wichtig, Vorsorge zu treffen und sich Gedanken über die eigene Bestattung zu machen. Die Leute schieben das raus“, sagt er. Und: „Die Single-Gesellschaft setzt sich auch im Tod fort.“

Im Getümmel der Großstadt kann man einsam sein, auch Angehörige sind keine Garantie. Das weiß Tuszewski, der viele Menschen beerdigt und viele Geschichten gehört hat. „Es gibt nichts Gutes über meinen Mann zu erzählen“, sagte etwa einmal eine Frau, als er sie vor der Bestattung nach ihrem verstorbenen Gatten fragte. Tuszewski geht es vor allem darum, die Menschen füreinander zu sensibilisieren – auch im Tod. „Wir suchen noch mehr Leute, die sich vorstellen können, ehrenamtlich das letzte Geleit zu geben“, sagt der 61-Jährige.