„Echte Preise“: Bio muss billiger werden, konventionelle Waren teurer

Bio-Produkte sind teuer für den Einkäufer. Konventionell hergestellte Lebensmittel sind dafür aber teuer für die Gesellschaft. Forscher wollen ihre Berechnungen diskutieren – auch beim Kirchentag.

Wirtschaftsprofessor Tobias Gaugler an seinem Stand „Echte-Preise-Supermarkt“ auf der Weltleitmesse Biofach
Wirtschaftsprofessor Tobias Gaugler an seinem Stand „Echte-Preise-Supermarkt“ auf der Weltleitmesse Biofachepd-bild/Thomas Tjiang

Es soll aussehen wie im Tante-Emma-Laden: Im „Echte-Preise-Supermarkt“ sind die Preise für Bio-Bananen oder -Milch günstiger als die der konventionellen Pendants: Ein Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Nürnberg (THN) hat das jetzt bei einem Sonderstand auf der Nürnberger Fachmesse Biofach gezeigt. Was wie eine Rabattaktion aussah, war das Ergebnis einer Preisberechnung für Lebensmittel, die die sozialen Folgekosten und die für die Umwelt mit berücksichtigt.

Wirtschaftsprofessor Tobias Gaugler und sein Team untersuchen exemplarisch, wie die wahren Kosten für Produkte im Supermarktregal aussehen sollten. „Eigentlich müssten Bio-Produkte im Laden billiger werden, konventionelle Waren teurer“, macht der Ökonom klar.

Der konventionelle Preis setzt sich vor allem aus den Kosten für Erzeugung oder Anbau, Verarbeitung und Transport sowie Gewinnmarge des Händlers zusammen. Darin fehlen allerdings Gaugler zufolge die sogenannten „externen Kosten“. Sie entstehen beispielsweise durch Überdüngung von Feldern, Gülle im Grundwasser oder der Luftverschmutzung durch Luft- oder Seefracht. Nach dem Verursacherprinzip müssten die Verkaufspreise im Laden diese Kosten aber widerspiegeln.

33 Cent Umweltschäden pro Kilo Banane

Gaugler forscht und lehrt im Studiengang „Management in der Ökobranche“ am THN-Standort Neumarkt. Er hat exemplarisch vier Bereiche wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Das sind der komplette Energieverbrauch für die Erzeugung, der CO2-Fußabdruck entlang der Wertschöpfungskette, die Stickstoffbelastung etwa durch Kunstdünger sowie die Landnutzungsänderung. Unter letzterem Punkt versteht er beispielsweise das Abholzen von Regenwäldern, um Viehfutter für die Rinder anzubauen, die als Steaks auf deutschen Tellern landen.

Allein schon diese vier Aspekte sorgen für ein klares Forschungsergebnis: Konventionelle Bananen beispielsweise müssten fast ein Viertel teurer sein als die Früchte aus Bio-Anbau. Für den konventionellen Anbau kommt das Wissenschafts-Projekt auf einen Umweltschaden pro Kilo von 0,33 Euro. Der setzt sich aus 5 Cent für den Energieverbrauch, 9 Cent für die Treibhausgasemissionen sowie 19 Cent für den Stickstoffeinsatz zusammen.

Die Bio-Bananen dagegen verursachen Umweltbelastungen, die 4 Cent pro Kilo ausmachen, sagt Gaugler. Das seien Modellrechnungen, „für eine komplette Bewertung sind wir wissenschaftlich nicht so weit“. Schwer zu quantifizieren ist etwa das Glücksgefühl einer Milchkuh auf der Weide, meint der Professor. Auch das Risiko eines möglichen Großschadens für eine Gesellschaft durch multiresistente Keime lasse sich nicht seriös beziffern.

Allgemeinheit trägt Kosten

„Das jetzige System ist gaga, wir lügen uns in die Tasche“, lautet sein Fazit. Denn die nicht berücksichtigten Kosten für Schäden an Umwelt und Gesellschaft muss am Ende die Allgemeinheit tragen. Der TH-Professor sieht daher die Politik in der Pflicht, den Verursachern auch die tatsächlichen Kosten in der Lebensmittelproduktion anzulasten.

Zwar hat er „jahrelang in der Freizeit geforscht“, weil seine Förderanträge zunächst abgelehnt wurden. Inzwischen ist das Thema „Kostenwahrheit“ aber im gesellschaftlichen Diskurs angekommen und Gauglers Projekte werden unter anderem im EU-Projekt Foodcost gefördert.

Gemeinsam mit anderen Hochschulen werden Einflüsse auf den Preis durch externe Effekte der Lebensmittelproduktion erforscht und analysiert. Geplant ist, den „Echte-Preise-Supermarkt“ auf dem diesjährigen Kirchentag (7. bis 11. Juni 2023) in Nürnberg zu zeigen.