DRK-Studie zur Gewalt in Kindererholungsheimen
In den Kindererholungs- und Kinderkurheimen des Deutschen Roten Kreuz in Schleswig-Holstein hat es in den Jahren 1945 bis 1990 vermehrt Handlungen psychischer sowie vereinzelt physische Gewalt gegeben. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag vorgestellten Studie des DRK-Landesverbands Schleswig-Holstein. Im Rahmen einer Masterarbeit hat sich die Sozialwissenschaftlerin Leonie Umlauft mit der Geschichte der Verschickungskinder in den DRK-Heimen wissenschaftlich auseinandergesetzt. „Die Intention hinter den Kindererholungen und Kinderkuren war eine gute, in der Umsetzung wurden jedoch die kindlichen Bedürfnisse oftmals komplett missachtet“, sagte die Sozialwissenschaftlerin.
Die Ergebnisse der Masterarbeit unter dem Titel „Gewalt in der Kindererholung – Trägerschaft und Verantwortung“ biete einen teils erschreckenden Einblick in die Geschichte der Kindererholung. Gewalt sei ein zentrales Erinnerungsmoment in den Berichten der ehemaligen Verschickungskinder, sagte Umlauft. Insbesondere psychische Gewalt, die oft durch Strafandrohungen und ein distanziertes Verhalten des Personals gegenüber den Kindern ausgeübt wurde, habe demnach das Leben vieler ehemaliger Heimbewohnerinnen und -bewohner geprägt.
Es seien vor allem die hierarchischen Strukturen in den Heimen gewesen, die zu den Gewaltakten und der Verkennung der kindlichen Bedürfnisse geführt habe, so das Ergebnis von Umlauf. Ihren Erkenntnissen zufolge habe eine Struktur von „Strenge, Gehorsam und ein distanziertes Verhältnis zu den Kindern“ geherrscht.
Für das DRK in Schleswig-Holstein markieren die Studie einen wichtigen Schritt bei der Aufarbeitung der Geschichte der Kindererholung, sagte Anette Langner, Sprecherin des Vorstandes des DRK-Landesverbandes. „Sie liefert nicht nur einen Überblick über die Heime in der Verantwortung des DRK zwischen 1945 und 1990, sondern trägt auch dazu bei, das Bewusstsein für die erlebte Gewalt zu schärfen und zukünftige Forschungen in diesem Bereich anzustoßen“, betonte Langner.
Für die Masterarbeit hat Umlauft die Strukturen und Erfahrungen in den fünf DRK-Heimen nach 1945 untersucht. In Trägerschaft des DRK-Landesverbandes befanden sich die Nordseekuranstalt „Goldene Schlüssel“ (St. Peter-Ording) und das Kinderkurheim Wittdün auf Amrum. In Trägerschaft von DRK-Kreisverbänden waren die Kindererholungsheime in Nieblum auf Föhr, in Glücksburg und in Burg auf Fehmarn. Die Studie basiere auf einem theoretischen Rahmen aus Organisations- und Gewalttheorien sowie einer breiten Datengrundlage, die sowohl aus Archivmaterial als auch aus qualitativen Interviews mit ehemaligen Verschickungskindern bestehe.