Drei Jahre nach Taliban-Rückkehr – Afghanistan krisengeschüttelt
Niemand hatte geahnt, wie zügig die Taliban vor drei Jahren wieder die Macht in Afghanistan übernehmen konnten. Die Welt scheint sich damit abgefunden zu haben – das Land jedoch steht am Abgrund, warnen Helfer.
Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben sich die Krisen im Land nach Helferangaben verschärft. Nahezu die gesamte Bevölkerung lebe in Armut, mindestens zwei Drittel benötigten humanitäre Hilfe zum Überleben, erklärte Caritas international am Dienstag. Save the Children machte zudem auf zunehmende Dürren aufmerksam, die das Leid der Bevölkerung steigerten.
“Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, die Frauen, Männer und Kinder mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen und ein Minimum an medizinischer Versorgung sicherzustellen, solange wir dazu in der Lage sind”, betonte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller.
Das kirchliche Hilfswerk erinnerte zudem an die Unterdrückung von Frauen und Mädchen in dem muslimischen Land. Diese seien beispielsweise von höherer Bildung ausgeschlossen und dürften kaum noch für Hilfsorganisationen arbeiten, erklärte Müller. Auch einige Caritas-Projekte nach dem Prinzip “Mit Frauen – für Frauen” hätten deswegen bereits gestoppt werden müssen.
Neben den politischen wirken sich laut Save the Children auch klimatische Bedingungen negativ auf das Leben der Menschen aus. Durch extreme Wetterereignisse seien in Afghanistan in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits mehr Menschen vertrieben worden als im gesamten Jahr 2023. Mindestens 38.000 Menschen hätten ihre Häuser verlassen müssen, rund die Hälfte davon seien Kinder. Insgesamt seien etwa 6,3 Millionen Menschen in Afghanistan langfristig vertrieben. Das ist den Angaben zufolge die größte Zahl an Binnenvertriebenen in Südasien und die zweitgrößte weltweit.
Dabei seien Klimakatastrophen, insbesondere Dürren, inzwischen die maßgebliche Fluchtursache, mahnte das Hilfswerk. “Im Vergleich zu 60-Jährigen werden Neugeborene in Afghanistan im Laufe ihres Lebens fünfmal häufiger mit Dürre konfrontiert sein. Allein in diesem Jahr wurden Tausende von Menschen nicht nur durch Dürre, sondern auch durch Überschwemmungen vertrieben”, betonte der Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, Florian Westphal. Das Land sei in einer schweren Krise, wobei zugleich die internationalen Hilfen seit der Machtübernahme der Taliban zurückgingen. Hilfsorganisationen könnten den Bedarf alleine nicht mehr stemmen, warnte Westphal.
Nach dem Abzug der US- und Nato-Truppen aus Afghanistan im Mai 2021 konnten die radikalislamischen Taliban das Land im Eiltempo zurückerlangen. Am 15. August eroberten Taliban-Kämpfer die Hauptstadt Kabul und riefen das “islamische Emirat Afghanistan” aus.