Diskriminierung: Beauftragte fordern Ampel-Koalition zu Reformen auf

Der Diskriminierungsschutz in Deutschland reicht nicht aus. Zu diesem Ergebnis kommt der fünfte Lagebericht „Diskriminierung in Deutschland“, den die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin gemeinsam mit weiteren Beauftragten vorstellte. Ataman und ihre Kolleginnen und Kollegen berichteten von zunehmender rassistischer und antisemitischer Diskriminierung und zunehmenden Angriffen auf Minderheiten. „Wir sind in Sorge um unser Land“, sagte Ataman. Demonstranten forderten in Berlin eine Reform des Behindertengleichstellungsrechts.

Ataman sagte, es gebe „kein Sicherheitspaket für Menschen, die Diskriminierung erleben und Angst haben“. Sie warf Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor, die von der Ampel-Koalition angekündigte Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu verschleppen. Angesichts wachsender Gefahren durch den Rechtsruck und Extremismus grenze dies an „Arbeitsverweigerung“. Diskriminierungserfahrungen belasteten die Betroffenen und gefährdeten den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Im Berichtszeitraum von 2021 bis 2023 haben sich den Angaben zufolge rund 20.600 Ratsuchende an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewendet. Nur in der Hälfte der Fälle habe die Stelle die Menschen dabei unterstützen können, gegen die Benachteiligung vorzugehen, sagte Ataman. Grund sei das „schwache und lückenhafte Antidiskriminierungsrecht“ in Deutschland.

Besonders häufig meldeten sich Bürgerinnen und Bürger, die rassistisch oder antisemitisch angegriffen oder beleidigt wurden. Weitere Gründe sind Benachteiligungen wegen des Alters, einer Behinderung, der Religion, Weltanschauung oder sexuellen Identität. Der Bericht geht davon aus, dass sich nur ein Bruchteil der Betroffenen melden. In repräsentativen Untersuchungen berichten zwischen 16 und 30 Prozent der Bevölkerung von Diskriminierungserfahrungen.

Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein und der Antiziganismus-Beauftragte Mehmet Daimagüler schilderten übereinstimmend, dass Juden, Roma und Sinti besonderem Druck ausgesetzt seien. Klein sagte, nach dem Terror-Angriff der Hamas vom 7. Oktober fürchteten viele Juden um ihre Sicherheit. Daimagüler erklärte, Roma und Sinti seien am stärksten von staatlicher Diskriminierung betroffen. Die Beauftragten fordern unter anderem, dass Menschen auch vor Diskriminierungen durch staatliche Stellen geschützt werden müssen.

In den gemeinsamen Bericht, der alle vier Jahre dem Bundestag vorgelegt wird, gehen die Beobachtungen aller Beauftragten ein, die für Minderheiten und den Diskriminierungsschutz zuständig sind. Dazu zählen neben Ataman der Antisemitismusbeauftragte, der Behindertenbeauftragte Jürgen Dusel, die Wehrbeauftragte Eva Högl, die Beauftragte für nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, sowie der Antiziganismusbeauftragte, die Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan und der Queerbeauftragte Sven Lehmann, die in der Regierungszeit der Ampel-Koalition dazukamen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erfasst Diskriminierungen im Dienstleistungssektor, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, nicht aber in staatlichen Einrichtungen wie Schulen oder durch die Polizei. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) schreibt staatlichen Behörden Barrierefreiheit vor, nicht aber dem privaten Sektor wie Geschäften, Arztpraxen oder Wohnungsunternehmen. Die Ampel-Koalition will das ändern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat inzwischen einen Gesetzentwurf in die regierungsinterne Abstimmung gegeben.

In Berlin forderten Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden die Politik dazu auf, das AGG und das BGG zu überarbeiten. An der Demonstration am Brandenburger Tor nahmen nach Angaben der Veranstalter knapp 200 Menschen teil. Die Kundgebung fand anlässlich des an diesem Tag geplanten Jahresempfangs des Behindertenbeauftragten statt. Dazu wurde auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet.