Digitaler Atlas gegen weiße Flecken

Wer gehört zur Gemeinde? Wie viele alte Menschen, wie viele junge? Bisher konnten sich Gemeinden bei der Planung ihrer Angebote nur auf Erfahrung und ein zufälliges Sammelsurium an Daten stützen. Das soll sich ändern.

Hannover/Stade. Neubaugebiete sind für Kirchen­gemeinden wie weiße Flecken auf der Landkarte. Aus den Gemeindeverzeichnissen geht nur die bloße Zahl der neuen Gemeindemitglieder hervor. In Stade mit seinem Neubaugebiet Riensförde ist das anders: Die dortige Johannisgemeinde weiß nicht nur, dass sie rund 1250 neue Mitglieder hat. Sie weiß unter anderem sogar, wie viele alte und junge Menschen es sind, und kann daraus Rückschlüsse für ihre Arbeit ziehen. Möglich macht das ein neues Geo-Informationssystem, eine Art digitaler Kirchenatlas, der derzeit von der Landeskirche Hannovers entwickelt wird.

Lea Werner und ihre Kollegin Britta Herhaus vom Haus kirchlicher Dienste (HkD) in Hannover setzen den Atlas seit knapp einem Jahr in die Tat um. Sie bereiten soziodemografische Daten zu Kirchenmitgliedern und Einrichtungen aus dem Bereich der Landeskirche auf und tragen sie in ein Programm ein, das ähnlich einem Schulatlas eine bildliche Darstellung ermöglicht. „Wir sind visuelle Menschen“, sagt Werner. „Karten helfen, Informationen zu verbinden, die aus Tabellen nur schwer herauszulesen sind.“

Daten kommen von Ämtern

Das Werk erfordert jedoch viel Arbeit: „Die Daten brauchen eine bestimmte Struktur, um in den Atlas eingetragen zu werden“, so Lea Werner. Die Kirche selbst erhebt dabei laut der HkD-Referentin für „EGIS – digitaler Kirchenatlas“ keine Daten und erforscht auch keine Privatpersonen. Vielmehr stamme die Datenfülle unter anderem vom Statistischen Bundesamt und von den Einwohnermeldeämtern. Sie geben Auskunft über Einwohnerdichte, Kaufkraft und Familienstrukturen sowie bestimmte Gruppen und deren Wert- und Lebensvorstellungen. Verzeichnet sind zum Beispiel die Zahl der Taufen, selbst Einrichtungen wie Kindergärten finden sich.

Ziel der digitalen Karte ist ein umfassendes Management- und Infosystem, das Zuständigkeiten verdeutlicht und Prognosen ermöglicht. „Also eine zielgenauere Arbeit“, fasst die 25-jährige Wirtschaftsethikerin zusammen.

Bislang per Hand eingezeichnet

Für die Kirche kommt das Projekt, an dem derzeit zwölf Kirchenkreise, darunter Stade, und Einrichtungen mitarbeiten, einer Revolution gleich. Denn bisher seien Gemeindegrenzen mitunter nur per Hand auf Karten eingezeichnet worden, sagt Werner. Einwohnerstrukturen seien kaum bekannt. Doch daran hänge die Gemeindearbeit. Kirchenkreise wie Stade, die Strukturen langfristig planen müssen, profitieren davon, sagt der Stader Superintendent Thomas Kück. Durch den Atlas könne man Informationen wie Schablonen übereinander­legen und daraus Zusammenhänge und Entwicklungen folgern.

Im neuen Stadtteil Riensförde sieht man schon schon jetzt die ersten Früchte. Zwei Stellen sind entstanden, die auf die Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten sind. Der Stader Superintendent freut sich: Die Strukturplanung sei kein Selbstzweck, sondern helfe, die eigentliche Arbeit der Gemeinden zu stärken.