Die Zukunft der Kirche – „Schrumpfen ist schwer“

Wie muss die Kirche der Zukunft aussehen, damit sie auch 2030 im Norden noch relevant ist? Diese Frage diskutierten Wiebke Böckers, Annabell Pescher und Schleswigs Bischof Gothart Magaard beim Leserdialog der Evangelischen Zeitung.

Im Gespräch (v.l.): Chefredakteur Tilman Baier, Bischof Gothart Magaard, Pastorin Wiebke Böckers und Annabell Pescher, jüngste Synodale der Nordkirche
Im Gespräch (v.l.): Chefredakteur Tilman Baier, Bischof Gothart Magaard, Pastorin Wiebke Böckers und Annabell Pescher, jüngste Synodale der NordkircheTimo Teggatz

Kiel. Blöcke und Kugelschreiber lagen bereit auf den Plätzen im Seminarraum 4. Das war auch gut so, denn zum Mitschreiben, Nachfragen und Diskutieren gab der Leserdialog, zu dem die Evangelische Zeitung eingeladen hatte, genügend Anlass. Etwa 30 Besucher kamen ins Evangelische Zentrum in der Kieler Gartenstraße, um der Diskussion zwischen dem Schleswiger Bischof Gothart Magaard, Pastorin Wiebke Böckers und der Synodalin Annabell Pescher zu lauschen. Ihr Thema: die Zukunft der Kirche angesichts sinkender Mitgliederzahler und immer weniger Pfarrstellen.

Zeit nutzen für gute Konzepte

Für die Nordkirche ist es nach den Worten des Bischofs eine große Herausforderung, angesichts schrumpfender Mitgliederzahlen nicht depressiv zu werden. „Schrumpfen ist schwer“, sagte Magaard in der Diskussion, die Chefredakteur Tilman Baier moderierte. Die Nordkirche müsse die Zeit jetzt nutzen, um gute Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Er wolle die Gemeinden ermutigen, neue Veranstaltungsformate auszuprobieren, um auch mehr junge Menschen einzubeziehen.

Einer dieser jungen Menschen saß neben ihm auf dem Podium: Annabell Pescher. Mit 23 Jahren ist sie das jüngste Mitglied in der Nordkirchensynode. Sie studiert in Flensburg Sonderpädagogik. „Der Gottesdienst ist bei mir in den Hintergrund getreten“, sagte sie. „Aber ich nehme zum Beispiel abends während der Woche flexible Mediationstermine in der Evangelischen Studierendengemeinde wahr. Auch dort treffe ich Leute, mit denen ich über meinen Glauben sprechen kann.“

 

Die Kraft, die ein Gottesdienst am Sonntag geben kann, sei nicht zu unterschätzen, betonte hingegen Pastorin Wiebke Böckers. Sie sprach aus der Erfahrung in ihrer eigenen Kirchengemeinde Gudow im Herzogtum Lauenburg. Sie nahm zugleich auch als Vertreterin des Pastorenvereins an der Diskussion teil. „Ich erlebe es oft, dass den Menschen Tränen in die Augen steigen, beim Abendmahl etwa oder bei machen Liedern“, erzählte sie. Gudow habe längst keine Grundschule mehr und auch keine Bank.. „Wenn die Kirche auch noch dichtmacht, ist dort der Tod im Topf“, sagte die Pastorin. Sie erinnerte an das Evangelium. „Für mich lautet Jesu Botschaft: Kehrt um und glaubt die frohe Botschaft. Das ist für mich der Kern. Das soll vor Ort zum Ausdruck kommen, in Gottesdienst, in Lehre und Sakrament“ so Böckers. „Bittbriefe an Ausgetretene, Amtshandlungen als Dienstleistungen, da geht es um das Verfügbare. Wir reden aber über das Unverfügbare.“

Umweltschutz, Migration, soziale Gerechtigkeit

„Um als Kirche 2030 noch relevant zu sein, muss sie sich heute grundlegend ändern“, davon ist Annabell Pescher überzeugt. Dabei geht es ihr vor allem um die junge Generation, die auch 2030 diese Kirche schätzen soll. „Wir müssen jetzt auf ihre Ideen, ihre Probleme und Änderungsvorschläge reagieren“, sagte sie. Themen seien beispielsweise Umweltschutz, Migration, soziale Gerechtigkeit.

Bischof Magaard hat keinen Zweifel, dass die Kirche auch in Zukunft eine große Bedeutung haben wird. Es sei aber offen, in welcher Gestalt. Die Gemeinden würden auch künftig Orte für persönliche Begegnungen sein. „Solche Orte werden immer seltener“, sagte Magaard. Die Zahl der Pastoren werde weiter abnehmen. Aufgabe sei es daher, sie von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, damit sie mehr Zeit für Gottesdienste und Seelsorge haben. Damit reagierte er auf Stimmen aus dem Publikum. Ein Teilnehmer berichtete beispielsweise von seinem Pastor, der als Vorsitzender des Kirchengemeinderats mehr als die Hälfte seiner Dienstzeit mit Verwaltungstätigkeiten beschäftigt sei.

Gottesdienst: Der Pulsschlag einer Gemeinde

Auch künftig werde der Gottesdienst zum „Pulsschlag“ einer Gemeinde gehören, so der Bischof. Immer wichtiger seien aber Gottesdienste zu besonderen Anlässen – wie zur Einschulung, bei Katastrophen oder zum Ende einer Ausbildung. Man dürfe „nicht immer nur auf den Sonntagvormittag schauen“. Die Menschen seien heute so mobil und nähmen lange Wege für einen Kino- oder Konzertbesuch in Kauf. Magaard ist überzeugt, sie seien auch bereit, Gottesdienste außerhalb der eigenen Gemeinde zu besuchen.