Die Uni ohne Namen

Die Greifswalder Hochschule will offiziell nicht mehr nach Ernst Moritz Arndt heißen. Das stößt in der Kirche auch auf Ablehnung.

Ernst Moritz Arndt im Rubenow-Denkmal vor der Universität Greifswald
Ernst Moritz Arndt im Rubenow-Denkmal vor der Universität GreifswaldJan Meßerschmidt / epd

Greifswald. Enttäuschung und Kritik oder aber der Unwille, über das heikle Thema zu reden: Etwa das kommt aus dem Pommerschen Kirchenkreis, wenn man nach Reaktionen auf den Beschluss zu Arndt fragt. 
Der Senat der Greifswalder Hochschule hat mit Zweidrittelmehrheit entschieden, die Uni offiziell nicht mehr nach dem umstrittenen Namenspatron Ernst Moritz Arndt (1769 bis 1860) zu nennen. Nach Regeln, die noch offen sind, soll es aber weiter erlaubt sein, den Namen zu verwenden. Ein Kompromiss.
Aber kein guter, wie Kirchenhistoriker und Pastor Irmfried Garbe aus Dersekow bei Greifswald findet. Von einem „Intellektuellen Armutszeugnis“, spricht er. „Eine methodisch faire und akademisch angemessene Auseinandersetzung mit dem historischen Arndt hat während der letzten zwölf Monate nicht stattgefunden. Der Vorverurteilte wurde zur willkürlich gefüllten Projektsfläche degradiert.“ Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität habe im Namen einen Charakter gehabt. „Das Ergebnis bezeichnet symptomatisch, was an Charakterlosigkeit in Teilen der Hochschule längst gang und gäbe ist.“

"Namenstilgung unklug"

Bischof Hans-Jürgen Abromeit schlägt diplomatischere Töne an, bedauert den Beschluss aber auch. „Die Benennung ist eine Entscheidung der Universität, die es zu respektieren gilt“, sagt er.  Allerdings sei sie „von einem Schwarz-Weiß-Denken geprägt, das Arndt nicht gerecht wird.“ Die Ablegung werde kaum helfen, aus der Geschichte zu lernen. „Man setzt sich nicht mit der eigenen Vergangenheit auseinander, indem man sie auslöscht. Gerade bei Arndt, der im 20. Jahrhundert von Demagogen und wechselnden Regimen für die eigenen Zwecke vereinnahmt wurde, halte ich eine Namenstilgung für unklug.“ Der Senat habe sich aber um Ausgleich bemüht. Fakt ist: Der Schriftsteller und Politiker Arndt wird höchst unterschiedlich beurteilt: Die einen halten ihn für unbedeutend, andere sehen in ihm einen Vorreiter der Demokratie und Kämpfer gegen die Leibeigenschaft. Auch bei der Frage, wie die antisemtischen und franzosenfreindlichen Töne in seinem Werk zu bewerten sind, prallen Positionen aufeinander. 
Aus Sicht von Abromeit war Arndt ein Christ und Verteidiger der persönlichen Freiheit des Menschen. „Er hat seinen Teil dazu beigetragen, Deutschland in eine neue Zeit zu führen“, sagt er. Zu Recht gelte er als Vorkämpfer für die Abschaffung der Leibeigenschaft. Und: „Für die Pommern ist er eine wichtige Identifikationsfigur.“ Jede Person habe aber auch Schattenseiten. „Bei Arndt war das vor allem sein Hass auf die Franzosen und sein Antisemitismus. Die Aussagen dazu sind aus der geschichtlichen Situation zu erklären, was sie aber keinesfalls entschuldigt – und in der Sache sind sie indiskutabel.“

"Polemische Diskussion"

Landeskirchenmusikdirektor Frank Dittmer schätzt von Arndt vor allem für die Lieder „Kommt her, ihr seid geladen“ und „Ich weiß, woran ich glaube“ im Evangelischen Gesangbuch. Er selbst hätte sich gut vorstellen können, die Uni weiter mit dem Namen zu verbinden. „Bedauerlich finde ich die zum Teil polemisch geführte Diskussion in dieser Frage. In jedem Fall ist es notwendig, sich differenziert mit Licht und Schatten historischer Persönlichkeiten auseinanderzusetzen.“
Bereits vor einem Jahr hatte der Uni-Senat beschlossen, den Namen Arndt abzulegen. Heftige Proteste waren die Folge. Viele Kritiker reagierten polemisch und beleidigend. Das Bildungsministerium kassierte den Beschluss wegen formeller Mängel. Nun der neue Anlauf. Nach Meinung der Senatoren stehen wesentliche Positionen Arndts im Gegensatz zum Leitbild der Universität.

Wegen Antisemitismus in der Kritik

Immer wieder stand Arndt wegen seiner antisemitischen Töne seit 1989 in der Kritik. 2010 stieß die Uni eine wissenschaftliche Debatte über ihn an, offen für alle, und stellte Informationen zur Person und Bewertung Arndts danach auf die Internetseite. 
Die Historische Kommission für Pommern plant zum 250. Geburtstag von Arndt 2019 eine wissenschaftliche Tagung. Der Vorsitzende Haik Porada meint: „Das wird sicher zu einem seriöseren Ergebnis führen als die medial transportierten Meinungen und Emotionen aus den zurückliegenden Monaten und Jahren.“