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„Die Texte sprechen meine Sprache“: Englische Gottesdienste in Berlin

Pfarrerin Stefanie Sippel und ihr Team ­laden jeden Monat in der Apostel-Paulus-Kirche in Berlin-Schöneberg zum „Evening Song“ ein. Im Interview erklärt sie, warum es ein englisches Angebot braucht.

Die Fassade der Apostel-Paulus-Kirche, Schauplatz des neuen englischsprachigen Evening Song
Die Fassade der Apostel-Paulus-Kirche, Schauplatz des neuen englischsprachigen Evening SongImago / Joko

Frau Pfarrerin Sippel, was war Ihr Motiv, einen Gottesdienst auf Englisch anzubieten?
Stefanie Sippel:
Ich habe Nordamerikanistik studiert und bin Mitglied im UCC-Beirat, in der Partnerschaft mit der United Church of Christ in den USA. Zudem stehe ich im Kontakt mit der Arbeitsgruppe, die Angebote für fremdsprachige ­Gottesdienste in EKBO-Gemeinden reflektiert. Beide gehören zum Ökumene-Referat im Berliner Missionswerk. So international wie Berlin ist, so sehr sollte es unser kirchliches Angebot sein, finde ich. Diese Aufgeschlossenheit erlebe ich auch im Team in der Apostel-­Paulus-Gemeinde. Englischsprachige Angebote gab es bei uns schon länger.

Ist diese Internationalität auch in Ihrem Gemeindegebiet spürbar?
Der Akazienkiez in Berlin-Schöneberg beherbergt Menschen, die mehrsprachig und international geprägt sind. Wir begegnen ihnen vorrangig bei ihrem Besuch in der Offenen Kirche und im Rahmen von Erwachsenentaufen oder Seelsorge, aber auch in der Kita. In der Apostel-Paulus-Kirche werden schon jetzt viele Taufen in separaten Gottesdiensten mehrsprachig gefeiert. Eigentlich sitzt in jedem Gottesdienst jemand, der keine oder kaum Deutschkenntnisse hat. Schon seit Jahren haben wir zweisprachige Abendgebete gestaltet oder einzelne Passagen in Gottesdiensten auf Englisch übersetzt.

Glauben Sie, dass ein Abendgottesdienst besser angenommen wird als am Sonntagvormittag?
Wie wohl in den meisten Gemeinden, so ist auch bei uns der Vormittag beliebt. Der Abend gibt denen die Möglichkeit zu kommen, die morgens arbeiten müssen oder andere Verpflichtungen haben. Die Stimmung ist eine andere, die Gespräche sind es auch. Ob es ein Bedürfnis nach späteren Gottesdiensten gibt, das wird sich erst zeigen. Für mich war klar, dass wir vormittags keinen englischsprachigen Gottesdienst anbieten. Denn in unmittelbarer Nähe befindet sich die American Church Berlin, mit der wir als Kirchenkreis gute Beziehungen pflegen, und die um 11 Uhr englische Gottesdienste anbietet.

Der Evening Song wird nach der Iona-Liturgie gefeiert. Können Sie kurz erklären, was das ist?
Die Iona Community in Schottland ist Ausgangspunkt für ökumenisches und gesellschaftspolitisches Wirken weltweit geworden. Dieses spiegelt sich in den offenen Worten der liturgischen Texte wider. Wir haben nach einer Gebetssprache gesucht, die so geschliffen ist, dass sie nach vielen Wiederholungen noch trägt. Wie beim Komplet bleiben Ablauf und Texte immer dieselben. Das hilft denen, die sich schwer tun mit den englischen Formulierungen. Für alle, die häufiger kommen, ist es das Angebot, eine Vertrautheit zu entwickeln. Die Texte sprechen meine Sprache und sprechen von dem, was ich erlebe. Schließlich sind sie so formuliert, dass sie hoffentlich niemanden ausschließen, also zum Beispiel sollten sie als queersensibel wahrgenommen werden. Abgesehen davon verstehen wir unser Konzept aber als etwas Eigenes. So erklärt sich auch der Titel, der ein Wortspiel ist und ausdrücken möchte, dass wir die anglikanische Tradition des „Evensong“ kennen, aber bewusst etwas Eigenes entwickelt haben.

Welche Rolle spielt die experimentelle Musik?
Wir haben nach einer Gelegenheit gesucht, das Experimentieren zu integrieren. Es ist naheliegend, dafür ein Format auszuwählen, das ohnehin vom Gewohnten abweicht. So verleiht die Musik den Abendgottesdiensten ihre Stimmung. Die Kirchenmusikerin Pam Hulme wird oft selbst mit Orgel, Stimme und Elektronik experimentieren oder unterschiedliche Gäste dazu einladen.

Wieso wählen Sie diese Form?
Wir möchten zum einen den Menschen gerecht werden, die Interesse an unserer internationalen Arbeit zeigen. Für sie probieren wir Neues aus. Zum anderen macht die Variation uns selbst Spaß. In der Apostel-Paulus-Kirche bestimmt der monatliche Zyklus die Struktur. Da ist der besondere Gottesdienst am 1. Sonntag des Monats, an dem wir uns erst um 14 Uhr versammeln und einen Gastprediger*in zu einem speziellen Thema einladen. Am 2. Sonntag gibt es Abendmahl und am dritten Familienkirche. Der letzte Sonntag hatte noch kein Profil. Für Taufen vereinbaren wir in der Regel individuelle Termine. Diese Umstände geben uns die Freiheit zur neuen Form.

Was erwarten Sie und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Beim ersten Mal fiel mir auf, dass die Gottesdienstbesucher*innen noch jünger und diverser waren als sonst. Es kamen etliche, die zwar Deutsch sprechen, aber für die Englisch die Mutter- und Gebetssprache ist. Ich erhoffe mir, dass das Format Freund*innen finden wird, die gerne wiederkommen.

Nächster „Evening Song“: am Sonntag, 26. Oktober, um 18 Uhr in der Apostel-Paulus-Kirche, Grunewaldstraße 77 A in Berlin-Schöneberg. Mit Pfarrer Alexander Benatar und Pam Hulme.