“Die Spaltung der Welt”: Arte zeigt sehenswerte Serie

Indem sie von sechs Lebenswegen berühmter Personen erzählt, zeichnet eine Arte-Serie den Zweiten Weltkrieg nach – in einer gekonnten Collage aus Archivmaterial und Spielszenen.

Golda Meir (li.) und ihre Tochter bei Schießübungen in der Wüste
Golda Meir (li.) und ihre Tochter bei Schießübungen in der WüsteSWR / Looksfilm

Am erschütterndsten sind die zahlreichen Parallelen zur Gegenwart: die nationalistischen Autokraten. Ihre dreisten Lügen, um Kriege zu entfachen. Der massive Antisemitismus. Der schon damals bleiern erscheinende Nahost-Konflikt. Die Flüchtlingsströme, sogar die “America First”-Parolen – ein großer Teil der hier verhandelten Themen kommt erschreckend aktuell daher.

Dabei zeichnet die dokumentarische Drama-Serie “Die Spaltung der Welt” die Jahre zwischen 1939 und 1962 nach und erzählt diese Zeit anhand der Lebensgeschichten von sechs historischen Figuren aus verschiedensten Teilen der Welt. Arte strahlt die internationale Koproduktion am 5. und 6. November jeweils um 20.15 Uhr aus.

“Die Spaltung der Welt” skizziert Lebenswege

Im Zentrum der sechs Episoden stehen der im Auftrag der Nationalsozialisten agierende Raketenforscher Wernher von Braun, die Ehefrau des Auschwitzer KZ-Kommandanten Hedwig Höß, der sowjetische Politiker Nikita Chruschtschow, die US-amerikanische Kernphysikerin Joan Hinton, die spätere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir und Frantz Fanon, der aus dem französischen Überseegebiet Martinique stammende Vordenker des Antikolonialismus.

Mithilfe von dokumentarischem Material und Spielszenen werden deren Lebenswege skizziert und mit unzähligen Zeitzeugenzitaten und Archivbildern zu einer so mitreißenden wie erschreckenden Collage jener Jahre, einem Kaleidoskop der weltweiten Umbrüche verdichtet. Die sechs Episoden zeichnen eine Welt am Abgrund, voller Verrohung, Verwüstung und Zerstörung.

Wernher von Braun und seine Sekretärin in Peenemünde, wo er eigentlich Raketen für den Flug zum Mond bauen möchte
Wernher von Braun und seine Sekretärin in Peenemünde, wo er eigentlich Raketen für den Flug zum Mond bauen möchteSWR / Looksfilm

Besonders eindrücklich erscheinen dabei die aus dem Off vorgetragenen Zitate prominenter wie unbekannter Zeitgenossen, die meist unter dem unmittelbaren Eindruck der Geschehnisse entstanden – die darin formulierten Ängste, Sorgen und Hoffnungen erzeugen eine starke emotionale Wucht.

Headautor Jan Peter hat sein dokumentarisch-fiktionales Konzept bereits erfolgreich in Projekten zum Ersten Weltkrieg beziehungsweise der Zeit zwischen den Kriegen erprobt, dabei auch selbst Regie geführt. Letztere haben diesmal Olga Chajdas und Frank Devos übernommen: Die beiden erweisen sich als würdige Nachfolger, bündeln das enorm umfangreiche Material gemeinsam mit den Cuttern Christian Krämer und Marco Rottig zu einer multiperspektivischen, fesselnden Story.

Produktion überzeugt

Erzählt wird in einer Grenzen überwindenden Machart – zwischen Nationen und Figuren, aber auch in formaler Hinsicht. Da fährt etwa Wernher von Braun (Max Wagner) in einer Spielszene mit dem Auto los – und kommt sozusagen im Archivmaterial beim “Führer” an. Die Serie verwebt unterschiedlichste Biografien zu einem ungeheuer vielschichtigen Bild, das nachhaltig verständlich macht, wieso man das Geschehen zwischen 1939 und 1945 Weltkrieg nennen muss.

Die Produktion überzeugt dabei in allen Gewerken, bei Drehbuch, Kamera, Schauspiel und Montage. Herausragend aber erscheint die Regie der Spielszenen, die atmosphärisch häufig sehr intensiv geraten.

Arte-Serie ist synchronisiert – leider

So wird etwa jene Szene aus der zweiten Episode in Erinnerung bleiben, in der Familie Höß in ihrem Garten jenseits der KZ-Mauer Besuch von einem leicht übergriffigen Nazi-Oberen hat: Bei Sauerkrautklößen und Schlachtplatte malmen in Großaufnahme gefilmte Münder, werden gereizt Fleischhappen auseinander gerissen, sind unschöne Ess- und Schluckgeräusche zu vernehmen – kurz, überträgt sich die Anspannung und Beklommenheit der Tischgesellschaft durch die geschickte Inszenierung geradezu körperlich. Eine meisterhafte Sequenz der Regisseurin Chajdas, zu der auch die nervöse Musikspur ihren Teil beiträgt.

Schade bloß, dass man die Figuren nicht in ihren unterschiedlichen Sprachen kommunizieren lässt; das war in der Vorgänger-Serie “Krieg der Träume” noch anders: Hier finden nun (fast) sämtliche Unterhaltungen auf Deutsch statt, absurderweise also auch jene in Palästina, den USA oder der Sowjetunion – was gewissermaßen konträr steht zum multiperspektivischen Charakter des Projekts. Das ist zwar durchaus ärgerlich, angesichts der zahlreichen Qualitäten dieser so informativen wie packenden Serie aber doch zu verschmerzen.

Arte zeigt die Serie “Die Spaltung der Welt. 1939 – 1962” am 5. und 6. November um 20.15 Uhr.