Nicht nur Grasfresser: Das sind die Schutzpatrone der EM-Teams

Nicht nur katholische, sondern auch protestantische Nationen haben einen Schutzheiligen. Bei der Fußball-EM kann sowas erst recht nicht schaden. Ein Überblick über die Schutzpatrone der EM.

Die deutsche Nationalmannschaft kann sich zur EM auf ihre Fans verlassen und auf ihren Schutzpatron, den Erzengel Michael
Die deutsche Nationalmannschaft kann sich zur EM auf ihre Fans verlassen und auf ihren Schutzpatron, den Erzengel MichaelImago / Nico Herbertz

Albanien: Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997), eine Patronin des Fairplay, wurde erst 2016 in den Stand der Heiligkeit erhoben. Bei der EM in Deutschland kann zudem der Nationalheld Gjergj Kastrioti (1405-1468) ran, genannt Skanderbeg: ein Verteidiger vor dem Herrn – vor allem gegen die Osmanen.

Belgien: Nationalpatron von Flamen und Wallonen ist Josef von Nazareth, der Ziehvater Jesu; eine kernige Nummer 6, die auch eigenwillige Spielvorgaben umsetzt und das Handwerk versteht. Eher defensiv als ein Stürmer, ermöglicht er durch Standhaftigkeit und Duldsamkeit das Allergrößte.

Dänemark: Der heilige König Knut IV. (ca. 1043-1086) soll einst angeordnet haben, dass die Weihnachtszeit auf 20 Tage verlängert wird, bis zum Knutstag am 13. Januar. Sollte er das EM-Turnier für die Dänen ebenfalls auf 20 Tage verlängern, wäre das ein schöner Erfolg: Viertelfinale!

Erzengel Michael hilft Deutschland

Deutschland: Der Apostel deutscher Tugenden ist ausgerechnet ein Angelsachse! Der heilige Bonifatius (672-754) war als Missionar ganz vorne und trieb den Germanen bei seinem Auswärtsspiel in Fulda schon früh den Mythos von der deutschen Eiche aus. Schutzpatron der Deutschen freilich ist der Erzengel Michael, unter dessen Schirm Kaiser Otto I. in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 gegen die Ungarn gesiegt hatte. So erklärt sich wohl auch das “Wunder von Bern” 999 Jahre später.

England: Die Ex-EU-Insulaner holten ihren Nationalpatron aus der Türkei, Ablösesumme unbekannt. Der heilige Georg von Kappadokien, ermordet um 303 bei der Christenverfolgung unter Diokletian, ist bekannt als tapferer Ritter und Drachentöter. Erklärt sich so, dass die Elf unter dem Georgskreuz niemals kapituliert – außer beim Elfmeterschießen?

Von wegen Schlümpfe!

Frankreich: “Die Blauen” sind keineswegs Schlümpfe, sondern gehören mit mehreren Titeln und Vizemeisterschaften zu den definitiv erfolgreichsten Teams der vergangenen 25 Jahre. Angeführt werden sie von einem ehemaligen Soldaten an der Spitze: Der heilige Martin, Bischof von Tours (316-397) und gebürtiger Ungar, steht für ein multikulturelles Frankreich. Doch er hat einen schwachen Punkt: Er teilt allzu gern mit anderen – und bei diesem Turnier ist er auch für Slowenien zuständig.

Georgien: Der heilige Georg sollte wohl besser nicht alle Drachen töten, sondern sich einen als Reittier aufheben. Schließlich muss er nicht nur in Gruppe C für England antreten. Auch Georgien setzt bei seiner EM-Premiere in Gruppe F fest auf den Beistand des Mannes aus Kappadokien.

Italien: Nationalpatronin im Heimatland des Machismo ist eine Sie: Katharina von Siena (1347-1380) unterstützt den amtierenden Europameister. Die Ordensfrau hatte in schwierigen Zeiten die Hosen an und dekretierte sogar dem Papst, wo er zu sein hatte: in Rom statt im französischen Avignon nämlich. Eine Frau mit Mut zum Anpfiff!

Die Nationalmannschaft Italiens, hier Giovanni di Lorenzo, wird von einer Frau unterstützt, nämlich Katharina von Siena
Die Nationalmannschaft Italiens, hier Giovanni di Lorenzo, wird von einer Frau unterstützt, nämlich Katharina von SienaImago / Eibner

Kroatien: Der heilige Kirchenvater und Gelehrte Hieronymus von Stridon (347-420) war zwar hochgebildet und asketisch-athletisch, doch wegen seines Temperaments auch permanent rotgefährdet. Theologische Meinungsverschiedenheiten nahm er persönlich. Sein stetiges Gebet: “Sei mir gnädig, Herr, da ich Dalmatiner bin.”

Niederlande: Der heilige Willibrord (um 658-739), “Apostel der Friesen” und Gründer von Kloster Echternach, war ein angelsächsischer Missionar aus Nordhumbrien (Northumbria). Ausgangspunkt seiner Friesland-Mission war vermutlich Antwerpen. Die “Elftal” kann einen Schutzheiligen gebrauchen – denn ihre eigentlich erwiesene internationale Klasse brachte sie zuletzt bei großen Turnieren nicht mehr auf den Platz. Hup, Willibrord!

Österreich: Nationalheiliger für den verletzten David Alaba & Co ist Markgraf Leopold III. (1073-1136). Trotz seines Beinamens “der Milde” stand er in der Schlacht immer an der richtigen Stelle. Und wo er es wollte, wuchs kein Rasen mehr. Gute Chancen also für die Mannen um Ralf Rangnick.

Polen: Unser östlicher Nachbar hat vorne Lewandowski und ist hinten keineswegs knapp an Heiligen. Bischof Stanislaus von Krakau (um 1030-1079) war ein besonderer Kämpfer. Für seine Überzeugung widerstand er sogar dem König und Polens Primas – und bezahlte dafür mit seinem Leben. Zudem steht er für Effizienz. Eine alte Bauernregel sagt: “Wenn sich naht Sankt Stanislaus, rollen die Kartoffeln raus.”

Im Oktober 2014 holte sich Polens Robert Lewandowski Unterstützung beim Papst
Im Oktober 2014 holte sich Polens Robert Lewandowski Unterstützung beim PapstImago / Ulmer

Portugal: “CR7” heißt die schon 39-jährige Dauer-Ikone mit den gezupften Augenbrauen und dem Astralkörper. Und Schutzheiliger des Europameisters von 2016, der wohl zum letzten Mal im Nationaldress aufläuft, ist ein demütig gewordener Millionärssohn, Franziskaner und Fastenprediger: Antonius von Padua (1195-1231), Helfer bei Verlusten.

Rumänien: Willensstark und leidensfähig – so beschreiben die Evangelisten den heiligen Andreas (gest. um 60). Der kleine Bruder des Petrus gehörte definitiv zur Stammelf der Apostel und blieb stets ein Rückgrat der “Mannschaft”. Obwohl viel unterwegs, wurde er nie zum Söldner und kämpfte bis zum Kreuzestod in Griechenland. Sein Glaube sollte den gläubigen Rumänen in ihrer Außenseiterrolle helfen.

Schottland: Und Andreas zum zweiten… Zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert qualifizierten sich die Bravehearts für die EM-Endrunde. Der Apostel Andreas wird in Schottland alljährlich als St. Andrews Day am 30. November, dem Nationalfeiertag, zelebriert. Die schottische Flagge basiert sogar auf dem Andreaskreuz (engl. saltire) mit den schrägen Balken. Dass der Missionar viele Tore geschossen hätte, ist nicht überliefert. Gut für Gruppengegner Deutschland!

Einsiedler beschützt die Schweiz

Schweiz: Muss man sich wundern, dass ein Einsiedler die Schweiz beschützt? Nikolaus von Flüe (1417-1487) war ein Visionär, Bauer, Familienmensch. Doch er war zu Höherem berufen, und so machte er seine Berufung zu seinem zweiten Leben: die Verteidigung des Glaubens. “Bruder Klaus” wurde zum Vorbild des defensiven “Schweizer Riegels”, der in den 1930er bis 50er Jahren vor allem auf Konter setzte.

Serbien: Der heilige Sava (um 1174-1236) war ein Rechtslehrer; hohes Tier in der Mönchsrepublik Athos, Erzbischof und Klostergründer. Er verschaffte Serbien seinen Platz in der europäischen Geisteswelt. An den Gruppengegnern Dänemark, England, Slowenien kam er bei seinen weiten Pilgerfahrten allerdings nicht vorbei – und Video-Zusammenschnitte zur Vorbereitung gab es damals noch nicht.

Slowakei: Eines der kleineren EM-Länder hat gleich zwei Patrone; sozusagen die Schlotterbeck-Brüder der Slawenmission. Kyrill (826/827-869) und Method (um 815-885). Die beiden Missionare aus dem griechischen Thessaloniki sind zusammen die “Slawenapostel”. Kein Slowake kann je so viele Tore schießen, wie diese beiden für Europa geöffnet haben. Ihr Monatseinkommen war allerdings deutlich geringer.

Slowenien: Auch für das Weinland Slowenien (wie für Frankreich) stürmt der hoch verehrte Ex-Soldat Martin von Tours (316-397). Doch außer einem Sieg gegen Algerien in der WM-Vorrunde 2010 ist noch nicht viel rausgesprungen. Und Rekordtorschütze Zlatko Zahovic ist auch lange nicht mehr aktiv.

“Der wahre Jakob” für Spanien

Spanien: Für die Spanier ist nur er der “wahre Jakob”: der heilige Jakobus (gest. um das Jahr 44). Seit Papst Johannes Paul II. den Jakobsweg 1980 nach Jahrhunderten der Flaute auf Europas Agenda zurückbrachte, führen wieder alle Wege zum Apostelgrab nach “Sant-Iago”. Und mit den Pilgern kamen allmählich auch die Titel zurück: 2010 Weltmeister, 2008 und 2012 Europameister. Diesmal gibt’s in der Vorrunde Revanche für das Halbfinal-Aus 2021 gegen den späteren Titelträger Italien.

Tschechien: Obwohl keine Christen, hießen die beiden ersten Staatspräsidenten der postkommunistischen Ära Wenzel/Vaclav. Ihr Namenspatron, der heilige Wenzel von Böhmen (907-935), starb schon im besten Fußballeralter. Junger Herrscher und frommer Christianisierer, wollte er zugunsten seines Bruders abdanken und ins Kloster gehen. Doch der erschlug ihn noch während der Messe. Tendenz: frühes Aus.

Christlicher Heiliger für die Türkei

Türkei: Heute zu über 99 Prozent muslimisch, führt die Türkei einen der stärksten christlichen Heiligen ganz Europas aufs Feld. Bischof Nikolaus von Myra (270/86-343/51) hat als Patron die Jugend auf seiner Seite, dazu die Manager/Händler. Wäre der “Hyperhagios” neben all seinen vielen Jobs auch noch Schutzherr der Schiedsrichter, wäre Schlimmes zu befürchten: jede Menge Geschenke…

Ukraine: Durch Taufe und Eheschließung wurde Wladimir, Fürst der Kiewer Rus, 988 Teil der kaiserlichen Familie in Konstantinopel und damit der christlichen Könige des Mittelalters. Der blutige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gibt heute, 1.000 Jahre später, selbst einem Fußballturnier eine ungewohnt ernste Note.

Ungarn: Nein, der Linksfuß Ferenc Puskas ist es nicht – sondern der heilige Stephan (969-1038). Seine einbalsamierte “heilige Rechte” (Szentjobb) wird heute als Armreliquie in der Stephansbasilika in Pest am Ostufer der Donau verehrt. Mit links oder rechts: Ungarn hat seit dem “Wunder von Bern” 1954 fußballerisch nicht mehr viel getroffen.