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Die Partei Volt punktet bislang vor allem bei jungen Wählern

Bei den Bundestagswahlen treten insgesamt 29 Parteien mit mindestens einer Landesliste an. Der kurzfristige Wahltermin hat vor allem kleinere Parteien vor Herausforderungen gestellt. Ein Blick hinter die Kulissen.

Diese Geschichte zur Bundestagswahl beginnt an einem grauen Novembermorgen in Brüssel. In den USA hat am Vortag Donald Trump die Präsidentschaftswahlen gewonnen; beinahe zeitgleich zerbricht in Deutschland die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. “Gestern, das war kein Feiertag”, sagt der Europaabgeordnete Damian Boeselager. Aber der 36-Jährige schaut bereits nach vorn. Auf bis zu 7 Prozent könne seine Partei bei der nächsten Bundestagswahl kommen. Wann die stattfindet, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Dass sie bald kommen wird, scheint aber sicher.

Boeselager ist Mitglied und einer der Gründer von Volt. 2019 zog er als einziger Abgeordneter seiner Partei ins Europaparlament ein; seit vergangenem Sommer sind sie zu fünft. Deutschland, sagt er zwischen zwei Telefonaten in dem kleinen Abgeordnetenbüro in Brüssel, sei ohne die EU nicht denkbar: “60 Prozent der Entscheidungen werden hier getroffen.” Volt wolle die “Glasscheibe zwischen Politik und Bevölkerung” einreißen und eine positive Vision für die Zukunft entwickeln.

Rund drei Monate später kann man das angesichts von Migrationsdebatten und Ukraine-Krieg für naiv halten. Aber in einem Bundestagswahlkampf, in dem eher Bilder von einem drohenden Untergang Deutschlands und Europas gezeichnet werden, fällt der Claim von Volt zumindest auf. “Holen wir uns die Zukunft zurück.”

Frage an Spitzenkandidatin Maral Koohestanian: Welche Zukunft ist denn damit gemeint? “Wir streben eine Zukunft an, in der Deutschland zur Smart Republic wird, die auch eine digitale Verwaltung und Behördengänge von Zuhause aus ermöglicht”, antwortet die bisherige Dezernentin bei der Stadt Wiesbaden, die die “Bild”-Zeitung unlängst als “Deutschlands bekannteste Unbekannte” porträtierte.

“Die Herausforderungen unserer Zeit werden durch europäische Zusammenarbeit und innovative Ansätze gelöst”, fügt Koohestanian hinzu, deren Antlitz zwischen Hamburg und München auf rund 80.000 Plakaten prangt. Dabei sei es wichtig, “dass wir eine konsequente Klimapolitik, die erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität und Biodiversität in den Mittelpunkt stellen – für echten Klimaschutz und eine bessere Zukunft”.

Wie andere kleinere Parteien musste Volt im Vorfeld um die Zulassung zur Wahl kämpfen. Um Landeslisten aufstellen zu können, waren “Unterstützungsunterschriften” notwendig: 460 in Bremen und 2.000 in den großen Flächenländern wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Volt ist in allen 16 Bundesländern am Start. Das gelang aus dieser Gruppe ansonsten nur der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften MLPD. Die Piraten, einst die Partei der digitalen Avantgarde, treten diesmal nur in drei Bundesländern an.

Bei der vorigen Bundestagswahl holte Volt 0,4 Prozent. Diesmal habe die Partei das Potenzial, “das Zünglein an der Waage zu sein”, zeigt sich Koohestanian zuversichtlich. Gerade junge Wählerinnen und Wähler, die sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlten, hätten bei der Europawahl 2024 gezeigt, dass sie Volt vertrauen – “8 Prozent der jungen Menschen haben uns gewählt”.

In der Partei selbst liegt das Durchschnittsalter bei 34 Jahren, wie der Europaabgeordnete Boeselager sagt. Seine Botschaft an die Jüngeren: “Macht mit – nicht über Tiktok und Co, sondern in der Politik!” Er selbst hat in der vergangenen Legislaturperiode unter anderem über die milliardenschweren Corona-Aufbauhilfen mitverhandelt und dazu beigetragen, den Data Act auf den Weg zu bringen. Künftig können die Hersteller von Geräten und Maschinen Daten der Besitzer nicht mehr einfach nutzen, sondern müssen sie ihnen abkaufen.

Aktuell ist Boeselager stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und sitzt im Haushaltskontrollausschuss – wichtige Gremien im Europaparlament. Experten ordnen Volt dem progressiv-sozialliberalen Spektrum zu. Für die Arbeit im Europaparlament ließ die Partei ihre Mitglieder darüber abstimmen, ob sich die Abgeordneten der Grünen oder der liberalen Renew-Europe-Fraktion anschließen sollten. Es wurden die Grünen. Deren Spitzenkandidat Robert Habeck wirbt übrigens auf seinen Plakaten mit dem Begriff “Zuversicht”.