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“Die Öffentlich-Rechtlichen retten uns den Arsch”

Als „einen therapeutischen Abend“ bezeichnete der Moderator und Entertainer Jan Böhmermann eingangs sein Aufeinandertreffen mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) im vollbesetzten Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) am Mittwochabend. Die Therapie wurde schnell zur Konfrontation: Weimer hatte in einem Schreiben an das HKW Druck gemacht, einen Auftritt des Rappers Chefket am Abend des 7. Oktober abzusagen. Obwohl die Absage schlussendlich durch Böhmermann erfolgte (zwischen Weimer und ihn passe beim Thema Antisemitismus „keine Welt am Sonntag“), warf der Satiriker dem Kulturstaatsminister mangelnde Kommunikation vor: „Rufen Sie mich doch einfach an.“

Die Debatte um die Hintergründe der Ausladung des Rappers, der sich mit einem antisemitisch lesbarem T-Shirt in Sozialen Medien gezeigt hatte, blieb das dominierende Thema. In Folge des abgesagten Auftritts hatten sämtliche anderen Musikerinnen und Musiker ebenfalls ihre geplanten Konzerte im HKW abgesagt.

Böhmermann betonte wiederholt, sein Team sei „mit leichtem Herzen“ an die Planung gegangen und habe die Dimension im Kontext des 7. Oktobers nicht auf dem Schirm gehabt. Weimer erklärte, er nehme Böhmermann das ab. Und zeigte prinzipiell Verständnis für Palästina-solidarischen Protest. Auch er wolle, dass „der Wahnsinn im Gazastreifen aufhört“.

Für Irritationen beim Publikum sorgte Weimers Äußerung, der Begriff „Zwangsgebühr“ für den Rundfunkbeitrag sei ein „etablierter Begriff“. Der Kulturstaatsminister sagte, er habe den Begriff in seiner früheren Tätigkeit als Journalist schon vor zehn Jahren genutzt. Böhmermann warf ihm vor, dass „Zwangsgebühr“ von der Rechten als Kampfbegriff verwendet werde, um den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu delegitimieren.

Der Entertainer verwies auf die Situation in den USA, wo private Sender das Nachrichtengeschehen dominieren: „Die Öffentlich-Rechtlichen retten uns den Arsch.“ Weimer bekräftigte, dass er voll hinter den Öffentlich-Rechtlichen stehe. Er wolle allerdings „keine Schönfärberei“ von Begrifflichkeiten.

Einig waren sich Böhmermann und Weimer bei der Bewertung der AfD. Das Weltbild der AfDler käme aus einem „reinem Ressentiment“ heraus, so der Kulturstaatsminister. Er erklärte, ihm mache es Angst, wenn er sehe, wie groß die AfD-Fraktion im Bundestag geworden ist und appellierte, dass die Menschen aus der politischen Mitte sich nicht gegenseitig angreifen sollten. Böhmermann sagte, dass ihn im Falle einer weiter erstarkenden AfD konkrete Exilgedanken beschäftigten.

Es war bereits mehr als eine Stunde vergangen, als die Moderatorin des Abends, Eva Schulz („Deutschland 3000“), darauf hinwies, dass der Abend ursprünglich unter dem Thema „Technik killt Kultur?“ stehen sollte. Der Kulturstaatsminister bekräftigte daraufhin seine Pläne für einen „Plattform-Soli“. Mit der finanziellen Belastung von Tech-Konzernen wie Meta und Alphabet in Deutschland soll die Marktmacht von Netzwerken wie Facebook und Instagram sowie von Suchmaschinen wie Google begrenzt werden.

Böhmermann lobte Weimer etwa für seine Pläne, Google möglicherweise zerschlagen zu wollen. Als ein Negativbeispiel nannte er die bereits erfolgenden KI-Zusammenfassungen bei Google-Suchen.

Die sich rasant verbessernde KI-Technologie wird laut dem 44-Jährigen dazuführen, dass das Internet in seiner jetzigen Form nur noch „vier bis fünf Jahre“ besteht. Er spannte damit den Bogen zu seinem Veranstaltungsprogramm im HKW. Handys sind in der Ausstellung und den Veranstaltungen nicht erlaubt. Die vollständige Abwesenheit von mobilen Geräten soll die Debattenkultur wieder verbessern.

Die Debatte der beiden Medienleute war die vorletzte Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Die Möglichkeit der Unvernunft“. Vom 17. auf den 18. Oktober gibt es ein 24-stündiges Überraschungs-Programm. Die Schau ist noch bis zum 19. Oktober zu sehen.