“Die Merz-Strategie”: ARD-Doku zeigt CDU auf der Suche

Nicht jeder wird mit Friedrich Merz warm, auch nicht in der CDU. Daher bleibt in der ARD-Doku “Die Merz-Strategie – Wohin steuert die CDU?” die Kernfrage offen.

Das TV-Team durfte Friedrich Merz auch hinter die Kulissen begleiten
Das TV-Team durfte Friedrich Merz auch hinter die Kulissen begleitenNDR

Nah dran sein hat in diesen Zeiten Konjunktur im deutschen Politik-Fernsehen. Auch Langzeitbeobachtungen bei Protagonisten liegen im Trend, seien es die amtierende Bundesregierung wie in Stephan Lambys “Ernstfall – Regieren am Limit” oder “Außer Dienst? Die Gerhard-Schröder-Story“, in der Lucas Stratmann dem Altkanzler und Putinfreund zum 80. Geburtstag auf die Finger schaute.

Kurz vor dem CDU-Parteitag Anfang Mai ist jetzt die größte Oppositionspartei an der Reihe. Und allen voran ihr Vorsitzender und noch nicht erklärter Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Für “Die Merz-Strategie – Wohin steuert die CDU?” haben sich Ben Bolz, Philipp Grüll, Johannes Lenz und – hello again – Lucas Stratmann über zwei Jahre an die Fersen bekannterer und unbekannterer CDU-Persönlichkeiten geheftet und ihnen beim “Neuaufbau der Partei” zugesehen. Die ARD zeigt die Doku am Montag, 29. April, um 20.15 Uhr.

Merz-Doku: Merkel immer präsent

Neben Merz treten auf: Der im vergangenen Sommer eingewechselte neue Generalsekretär Carsten Linnemann, der den zu zahmen Mario Czaja ablöste, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, die stellvertretende Parteivorsitzende und Bildungsministerin von Schleswig-Holstein Karin Prien sowie der Vorsitzende des sächsischen Stadtverbandes Großenhain, Johannes Fiolka.

Gern auch mal zünftig: Friedrich Merz  (re.) beim Weißwurstessen mit dem CDU-Kollegen Markus Söder in München
Gern auch mal zünftig: Friedrich Merz (re.) beim Weißwurstessen mit dem CDU-Kollegen Markus Söder in MünchenNDR

Nicht im Bild, aber doch stets präsent, ist natürlich auch Angela Merkel, zu der Merz ein herzliches Nicht-Verhältnis unterhält. “Wir schreiben uns zu Weihnachten und zum Geburtstag. Wenn wir uns treffen, sind wir freundlich zueinander”, sagt er offen. Es gehört zu den Stärken der Doku, dass sie Merz ganz bei sich selbst zeigt und genau so “rüberkommen” lässt. Immer kontrolliert, dabei aber sehr ehrlich.

Das verschafft seinem Part eine Authentizität, die dem manchmal eher divenhaft auftretenden Wüst abgeht. Die Macher haben für den Film bewusst auf jeglichen einordnenden oder erklärenden Kommentar verzichtet. Zu hören sind immer nur ihre Fragen und die Antworten der Protagonisten. Für die zeitliche Struktur und Dramaturgie greift der Film auf Archivmaterial von Nachrichtensendungen, Talkshow-Auftritten und anderen Anlässen zurück.

Merz-Strategie: Am Comer See begann alles

Dabei entsteht ein überdeutliches Bild einer Partei auf der Suche nach sich selbst. Gestartet wird am Comer See, wo die CDU die Arbeit an ihrem neuen Grundsatzprogramm auf den Weg bringt und nicht nur ein bisschen vom Geist Adenauers zu erhaschen hofft. “Wir brauchen wieder ‘ne tolle Erzählung für die CDU und Punkte, die uns wirklich von anderen unterscheiden”, sagt der damals-noch-nicht-Generalsekretär Linnemann, der sich während der Dreharbeiten als “Perspektivprotagonist” entpuppt hat: Vom Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission auf den wohl wichtigsten Posten neben dem Vorsitzenden – das nennt sich wohl Reporterglück.

Weniger glücklich ist indes die Partei mit sich selbst. Opposition war die Union auf Bundesebene eben schon lange nicht mehr. Weil sich die Ampel-Koalition allerdings permanent selbst in den Arm fällt, hat es die CDU schwer, hier als eigentliche Oppositionspartei zu punkten. Zumal die Gräben innerhalb der Partei bestenfalls notdürftig abgedeckt, aber noch keinesfalls zugeschüttet sind. “Burgfrieden” nennt sich denn auch eines der Unterkapitel der Doku.

K-Frage: Wüst steht bereit

Für diese Position steht Karin Prien, die sich ganz offen als Merkelianerin bekennt und sich dafür nach der Filmpremiere in Berlin ein “Karin Prien war in den letzten zwei Jahren keine große Unterstützerin von Friedrich Merz” vom Generalsekretär abholt.

Dass die Strategie von Merz zwar leidlich klar ist, trotzdem aber keiner so recht weiß, wohin die CDU steuert, liegt dabei auch an Hendrik Wüst. Denn der, und das zeigt der Film in schönster Deutlichkeit, weiß um seinen Vorteil als “Nicht-Oppositioneller”, noch dazu mit dem größten Bundesland im Rücken. Und hält sich bei der natürlich auch in der “Merz-Strategie” mehr als einmal gestellten K-Frage so vornehm wie sibyllinisch lächelnd zurück.

Wüst steht also bereit, was auch Merz weiß – und die Sache nicht einfacher macht, zumal es da ja auch noch Markus Söder gibt. Der kommt allerdings nur am Rande vor, und auch die Weltläufe stören die CDU-interne Nabelschau nur selten.

CDU mit offener Flanke

Das geht völlig in Ordnung und schafft eine kluge Konzentration auf das Wesentliche. Doch dabei gibt es auch eine offene Flanke – für die CDU wie für den Film. Der Osten ist nur durch die auch äußert knappen Auftritte des für die meisten vermutlich völlig unbekannten Johannes Fiolka aus Sachsen präsent. Der steht für den rechten Parteiflügel, aber die Fragen nach der Grauzone zur AfD bleiben weitestgehend ungestellt. Und so steht die wohl größte Herausforderung für die gesamte Union (und alle anderen Parteien) eher wie der sprichwörtliche Elefant im Raum.

Die ARD zeigt “Die Merz-Strategie – Wohin steuert die CDU?” am Montag, 29. April, um 20.15 Uhr.