Die Mandoline – viel mehr als die „Geige des kleinen Mannes“

Das Liebeslieder-Image der Mandoline mit sentimentalem Sound ist überholt. Längst hat das Instrument die Konzertsäle erobert. 2023 könnte es einen weiteren Schub geben.

Ein "Allrounder": Die Mandoline ist das "Instrument des Jahres"
Ein "Allrounder": Die Mandoline ist das "Instrument des Jahres"Imago / Imagebroker

Klein, oft bauchig und handlich ist sie – und wird oft unterschätzt. Die Mandoline fristet als Zupfinstrument neben der Gitarre eher ein Schattendasein, hat allenfalls einen Exotenstatus. Doch das soll sich nun ändern: Musikräte in Deutschland haben sie zum „Instrument des Jahres 2023“ gewählt. Damit verbunden sind zahlreiche Veranstaltungen und Konzerte bundesweit.

Einer, der die Mandoline seit Jahren auch auf die großen Bühnen bringt, ist Avi Avital. Der israelische Musiker ist ebenso enthusiastisch wie virtuos. Vor allem vermeidet er, das Saiteninstrument in Schubladen zu stecken. Avital holt sich Inspirationen aus allen Genres, interpretiert Johann Sebastian Bach (1685-1750) und Antonio Vivaldi (1678-1741) ebenso wie Klezmer-Musik, Tango oder Jazz. Für seine Kunst wird er weltweit gefeiert. Als erster Mandolinen-Solist wurde er für einen klassischen Grammy nominiert.

„Goldener Klang“

„Ich verbinde mit dem Klang der Mandoline etwas Goldenes. Ich denke an etwas Warmes, aber sehr Spezielles und Besonderes“, hat er einmal gesagt. Die Mandoline sei ein wunderbares Instrument, das es für viele noch zu entdecken gelte. Er selbst sei immer wieder überrascht von der Vielfalt ihrer Farben und Möglichkeiten.

Oft wird die Mandoline als „Allrounder“ bezeichnet. Bekannt wurde sie auch als „Geige des kleinen Mannes“. Ihre Blütezeit hatte die Mandoline im 17. Jahrhundert in Italien. Ausgehend von Neapel verbreitete sie sich später auch in Frankreich, Österreich, Deutschland und England. Als Nachfolgerin der Laute galt sie vor allem als ein Instrument des Adels, aber sie war immer auch ein Volksinstrument.

Gefertigt ist die Mandoline aus Holz, bespannt mit vier Doppelsaiten. Diese werden mit einem münzgroßen Plättchen angerissen, dem Plektron. Um einen Ton künstlich zu verlängern, wird es sehr schnell zwischen den Doppelsaiten hin und her bewegt – so entsteht der sehr emotional klingende Tremolo-Klang.

Immer etwas sentimental

Es ist der typische Sound der Mandoline, der etwas Sentimentales hat und daher oft für Liebeslieder genutzt wurde. Beim Tremolo, was so viel wie „Zittern“ heißt, werden die Töne so schnell wiederholt, dass der Eindruck entsteht, es sei ein sehr lang anhaltender Ton. Das zu erlernen, ist nicht so ganz einfach.

Als Mandolinen-Star beherrscht Avital, der am 15. Februar in der Hamburger Elbphilharmonie auftritt, das Tremolo virtuos. Doch absolut nicht geeignet sei diese Technik für die Musik von Johann Sebastian Bach, findet er. Dessen Werk sei nicht sentimental. Avital spielt trotzdem Kompositionen des berühmten Barockmeisters auf seiner Mandoline, er arrangierte sie für sein Instrument. Wenn er Bach interpretiere, dann gebe es kein Tremolo, sagt er, denn „Bach steht darüber“.

Nach wie vor gibt es in Deutschland auch Mandolinenorchester. Boris Björn Bagger leitet eines in Ettlingen bei Karlsruhe. Für sein Ensemble arrangiert und komponiert er Stücke, gern auch Popsongs oder sogar Rockmusik von Pink Floyd. Die Mandoline sei enorm vielseitig und in allen Genres zu Hause, betont er.

Zwischenzeitlich populär war sie 1980, als im Oscar-prämierten Kinofilm „Kramer gegen Kramer“ – mit Dustin Hoffman und Meryl Streep in den Hauptrollen – Vivaldis Mandolinenkonzerte als Filmmusik genutzt wurden. „Das war ein Riesenhype“, erinnert sich Bagger. Bei vielen war dieser besondere Klang damals präsent.

Mit Leichtigkeit überwindet die Mandoline die Grenzen zwischen sogenannter „ernster“ klassischer Musik und Unterhaltungsmusik. Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Gustav Mahler haben für die Mandoline komponiert, Hans-Werner Henze, Pierre Boulez und Bernd-Alois Zimmermann.

Selbst Frank Zappa mochte Mandolinen

Aber auch Frank Zappa sei ein großer Fan des handlichen Instrumentes gewesen, sagt Bagger, habe Songs für Gitarre und Mandoline arrangiert – unter anderem für sein 1993 erschienenes Album „The Yellow Shark“, das in den USA auf Platz 2 der Klassik-Crossover-Charts stand.

Tatsächlich ist die Mandoline in allen Zeiten und Stilen zu Hause, bis hin zur amerikanischen Countrymusik. Avital lotet die verschiedenen Genres mit Begeisterung aus: Es gebe keine Stimmung, die er mit ihr nicht ausdrücken könne: „Ich habe das Gefühl, die Mandoline kennt keine Grenzen.“