Die Lehren aus Sylt: Bekämpft Rassismus, überall!

Auf Sylt grölt verwöhnter Party-Nachwuchs schlimmste rassistische Parolen. Den Aufschrei in Medien und Gesellschaft hätte es schon viel früher geben müssen, kommentiert Timo Teggatz.

Im Sylter "Pony"-Club sang die Party-Meute die schlimmen Zeilen (Archiv)
Im Sylter "Pony"-Club sang die Party-Meute die schlimmen Zeilen (Archiv)Imago / Schöning

Es sind ekelhafte 14 Sekunden: In einer Sylter Bar läuft das Techno-Lied „L’amour toujours“, und die Party-Meute grölt zur eingängigen Melodie schlimmste Parolen: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“, bei schönem Sonnenschein mit Schampus auf dem Tisch und dicken Autos am Straßenrand. In sozialen Netzwerken ist ein Video dieser Szene aufgetaucht, das seit ein paar Tagen für Schlagzeilen sorgt.

Doch man muss leider sagen: Was im Sylter „Pony“ passiert ist, ist allenfalls die Spitze des Eisbergs. Der Song des italienischen DJs Gigi D’Agostino wird schon seit dem vergangenen Herbst von Radikalen missbraucht. In einer Disco in Schleswig-Holstein grölte die Meute ebenso wie in Nordrhein-Westfalen. Auch bei einer Feier der Jungen Liberalen in Bayern sang der FDP-Nachwuchs die Zeilen. Zum Glück schritten schnell andere Mitglieder ein. Die Bild-Zeitung machte damals übrigens keine Kampagne daraus, war ja schließlich nicht die Grüne Jugend.

Nicht nur Sylt, auch die Provinz grölt

Und ebenfalls zu Pfingsten – am gleichen Wochenende wie der Sylter Vorfall – singt in Löningen in der niedersächsischen Provinz bei einem Schützenfest ein ganzes Festzelt „Ausländer raus!“. Ein ganzes Festzelt, nicht nur ein paar Polohemden-Träger!

Bei allen diesen Fällen gab es natürlich Berichte und ein paar pflichtschuldige Verurteilungen aus der Politik. Der Aufschrei blieb aus. Es hätte ihn aber geben müssen. Denn ob die singenden Radikalen nun reiche Eltern haben oder nicht, ob sie Champagner auf einer Terrasse schlürfen oder sich Cola-Korn in der Dorf-Disco reinbechern – das darf doch keine Rolle spielen. Spielt es aber, denn das Klischee der reichen, feiernden Kinder auf der Promi-Insel funktioniert nun mal perfekt.

Unser Autor Timo Teggatz
Unser Autor Timo TeggatzStudioline

Um es klar zu sagen: Die Sylter Sängerknaben gehören bestraft. Wie sie gerade medial an die Wand gestellt werden, ist allerdings auch mehr als fragwürdig. Jeder hat das Recht auf einen fairen Prozess, sogar singende Hobby-Nazis.

Nach Sylt: Wir alle sind gefordert

Schön wäre, wenn wir aus diesen Fällen Lehren für die Zukunft ziehen. Wir müssen alle Fälle von grölenden Party-Meuten mit der gleichen Intensität verfolgen, ob in Sylt oder irgendwo auf dem Dorf. Und was noch wichtiger ist: Wir müssen Rassismus bekämpfen, der sich schon in die Gesellschaft reingefressen hat und sich eben nicht in umgedichteten Party-Liedern äußert. Jeder von uns ist im Alltag gefordert, wenn zum Beispiel im Bekanntenkreis rassistische Aussagen gemacht werden.

Wie man den Song „L’amour toujours“ doch noch retten kann, haben jetzt übrigens feiernde Jugendliche aus Berlin gezeigt. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video mit umgedichteten Textzeilen: „Nazis raus, Deutschland ist multi, alle Nazis raus!“. Könnte ein Ohrwurm werden.