„Die Kirche muss theologisch auf Neue Rechte reagieren“

Es handle sich um ein Brückenmilieu zwischen Konservativen und Rechtsextremen, sagte der ehemalige Hamburger Hauptpastor. Dort begegne man auch einer religiösen Seite, etwa Freikirchen und „altem Luthertum“.

Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD
Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKDNorbert Neetz / epd

Berlin/Hamburg. Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat Theologen zu einer Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten aufgefordert. „Der Neuen Rechten geht es darum, sich eine eigene Tradition zuzuschreiben“, sagte Claussen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu gehöre, wenn man sich als „konservativ“ verstehe, ein Bezug zum Christentum.

Die Neue Rechte sei ein Brückenmilieu zwischen Konservativen und Rechtsextremen, sagte Claussen. Dort begegne einem auch eine religiöse Seite, etwa „altes Luthertum, ein kulturkritischer und traditionalistischer Katholizismus, auch Freikirchen“. „Sie alle verbindet aber das Bedürfnis, ihre politische Position auch religiös zu formulieren“, sagte der Theologe.

„Unfaire Kritik“

Auffällig sei dabei, dass viele von ihnen sich in der kirchlichen Welt, die sie vorfinden, nicht heimisch fühlten. „Ihr Bezug zum Christentum ist immer mit einer – wie ich finde unfairen – entwertenden Kritik an der realen Kirchlichkeit verbunden“, sagte Claussen, der zusammen mit anderen Autoren im Buch „Christentum von rechts“ eine Analyse der theologischen Positionen der Neuen Rechten vornimmt. Im Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz für das Jahr 2020 wird die Neue Rechte erstmals offiziell als Bewegung aufgeführt. Die Behörden beobachten unter anderem als Teil er Szene das „Institut für Staatspolitik“ und die „Identitäre Bewegung“.

Claussen erläuterte, einige der neu-rechten Positionen von heute seien in den 1950er bis in die 1970er Jahre in kirchlichen Leitungsämtern präsent gewesen. „Der damalige Mainstream, auch in kirchlichen Publikationen wie ,Christ und Welt‘, hat etwa noch hinterfragt, ob Menschenwürde überhaupt ein theologischer Begriff ist oder die Schoah ein so epochales Ereignis ist, das uns dazu zwingt, all unsere theologischen Bestände auf den Prüfstand zu stellen“, sagte Claussen: „Ich dachte, diese Fragen hätten wir längst beantwortet, aber das ist anscheinend nicht so“.

Konservative Kirche

Darauf müsse die Kirche reagieren, indem sie ihre heutige Position auch theologisch begründet. „Wir müssen zweierlei tun: Für Grundprinzipien der freiheitlichen Demokratie einstehen aus eigener theologischer Überzeugung und zeigen, wo wir selbst in einem guten Sinne bewahrend, also konservativ sind“, sagte der Honorarprofessor für Systematische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität. „Wir feiern Gottesdienste im Lauf des Kirchenjahres, geben Traditionen weiter, legen die Bibel aus, pflegen das reiche Erbe christlicher Kultur und geistlicher Musik“, sagte er und ergänzte: „Wir sind ziemlich konservativ, wenn man sich das anschaut.“ (epd)

Buch-Tipp
Johann Hinrich Claussen, Martin Fritz, Andreas Kubik, Rochus Leonhardt, Arnulf von Scheliha: Christentum von rechts
Verlag Mohr Siebeck 2021, 231 Seiten, 19 Euro

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