„Die Herberge muss vorzüglich gut sein“
Sie gehört zu den jüngeren Trägern diakonischer Arbeit und geht auf die „Gesellenherberge zur Heimath“ zurück. Zum 150. Todestag von Clemens Theodor Perthes
Wer war Clemens Theodor Perthes? Am 2. März 1809 wird er als sechstes von neun Kindern von Caroline Perthes (Tochter des Dichters Matthias Claudius) und Friedrich Christoph Perthes geboren. Seine Kindheit und Jugend sind von häufigen Krankheiten geprägt. Der überzeugte Christ studiert in Bonn Rechtswissenschaften und wird mit 33 Jahren Professor.
Als Bonner Stadtverordneter erhält Perthes Einblick in die sozialen Verhältnisse seiner Stadt. Dies mündet 1849 in der Gründung eines Lokalvereins für Innere Mission. Der bietet Hilfe an für Arme und Kranke, für Strafgefangene und Entlassene. Und seit dem 21. Mai 1854 in einer „Herberge zur Heimath“, eine Heimat auf Zeit, für Durchreisende und wandernde Handwerksgesellen.
Perthes Anspruch dabei: Qualität und die Freundlichkeit müssen die Gäste restlos überzeugen, so dass diese sich – in aller Freiheit – für den Glauben an Christus öffnen: „Nur wenn die Herberge als Wirtshaus vorzüglich gut ist, wird ihr der christliche Charakter nicht schaden.“
Am 2. August 1854 spricht Perthes vor der Generalversammlung des rheinischen Provinzialvereins für Innere Mission in Bonn. Perthes beschreibt die Gefahren der im Zuge der industriellen Revolution entstehenden billigen Herbergen, in denen wandernde Handwerker auf jene Arbeiter treffen, die aus Dörfern in die Fabriken der Städte drängen und nach Arbeit und Unterkunft suchen. Die oft jungen Männer sind der familiären und nachbarlichen Sozialkontrolle entzogen und füllen die Freizeit mit Glücksspiel und dem Trinken von Branntwein. Da weder Staat und Zünfte, noch die Kirche in der Lage sind, ausreichend Hilfen für die Wanderarmen zur Verfügung zu stellen, setzt sich Perthes in seiner Rede dafür ein, die vorhandenen Herbergen zu öffnen und neue zu gründen, um die in Not geratenen umherwandernden Männer aufzunehmen.
Schnell wird klar: Die Gründung der ersten „Gesellenherberge zur Heimath“ legt den Grundstein für eine rasante Entwicklung des Herbergswesens. Perthes erlebt dies jedoch nur noch bedingt mit. 1867 stirbt er nach langer, schwerer Krankheit am 25. November.
In Rheinland und Westfalen entstehen in den Folgejahren über 50 Herbergen. 1914 sind es 450 mit rund 18 000 Betten. Aus dem 1875 gegründeten Westdeutschen Herbergsverband entwickelte sich 1886 der Westfälische Herbergsverband, aus dem letztlich 1965 das Perthes-Werk e. V. hervorging, das seit 2016 den Namen Evangelische Perthes-Stiftung e. V. trägt. Im Laufe der Jahrzehnte dienten diese Einrichtungen zunehmend auch den Flüchtlingen der beiden Weltkriege sowie armen und obdachlosen Menschen als Unterkunft und Herberge. Nach und nach wurden einige Einrichtungen zu Altenheimen.
Heute begleitet die Evangelische Perthes-Stiftung mit ihren verbundenen Unternehmen westfalenweit an 90 Standorten mit über 4550 Mitarbeitenden rund 8500 Menschen mit Unterstützungsbedarf. Sie ist als Träger der freien Wohlfahrtspflege Mitglied im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe sowie im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung und erfüllt mit ihren Angeboten für Menschen im Alter, mit Behinderungen, in besonderen sozialen Schwierigkeiten sowie in ihrer letzten Lebensphase einen wichtigen sozialpolitischen Auftrag in christlich diakonischer Prägung.
Rüdiger Schuch, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Perthes-Stiftung: „Auch in der heutigen Zeit mit ihren enormen sozialpolitischen Herausforderungen haben die diakonischen Grundprämissen eines Clemens Theodor Perthes nichts an Aktualität verloren: sich der Not der Mitmenschen vorbehaltslos zu erbarmen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Hilfe zu Selbsthilfe in christlich-ökumenischer Weite, mit dem Anspruch, fachlich hochwertige Angebote der Begleitung, Pflege und Betreuung zu unterbreiten.“ UK