Diakonie: Pflege verschärft Armutsrisiko auf dem Land

Immer mehr Menschen im ländlichen Raum können sich nach Angaben der Diakonie keine notwendige Pflege leisten. Hintergrund seien eine wachsende Armutsgefährdung bei über 65-Jährigen sowie permanent steigende Kosten für die ambulante und stationäre Pflege, wie das Diakonische Werk Schleswig-Holstein am Donnerstag mitteilte. Hinzu kämen mangelnde Mobilitätsangebote und Netzwerke sowie eine schlechtere medizinische Versorgung auf dem Land.

„Die Lage von pflegebedürftigen Menschen mit kleinem Einkommen auf dem Land ist schwierig“, kommentierte Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß den Aktionstag über Altersarmut, der am Mittwoch (21. Februar) in Freienwill (Kreis Schleswig-Flensburg) stattfand. Beim Aktionstag des Diakonischen Werks und der Sozialstation im Amt Hürup hatten sich Fachleute aus Pflege, Wohlfahrt, Verwaltung und Politik ausgetauscht.

Wenn ländliche Gebiete auch künftig als lebenswerter Raum für alte Menschen erhalten bleiben sollen, müsse die Gesellschaft „dringend gegensteuern“, sagte Naß. Denkbar seien alternative Wohnformen und innovative Mobilitätsangebote. Dabei gehe es nicht nur um die Pflegebedürftigen selbst. „Auch die Angehörigen stehen vor immer größeren Herausforderungen. In den meisten Fällen übernehmen sie die Pflege, mit der Folge, dass sie weniger arbeiten können und später selbst von Altersarmut betroffen sein werden“, sagte Naß.

In Schleswig-Holstein sind laut Statistikportal des Landes 15,3 Prozent aller über 65-jährigen Menschen armutsgefährdet. Besonders betroffen seien Frauen: Hier liege die Quote bei 17,1 Prozent. Gleichzeitig würden Eigenanteile für die Pflege steigen. Für einen Platz in einem Pflegeheim müssten Pflegebedürftige in Schleswig-Holstein durchschnittlich 2.354 Euro zuzahlen. Auch die häusliche Pflege werde immer teurer, hieß es. In der Folge würden Ältere oft weniger Pflegeleistungen buchen als nötig, teilweise nähmen sie gar keine Leistungen in Anspruch. In Zitate von Betroffenen hieß es: „Pflege ist Luxus“ oder „Die Zuzahlung zu Medikamenten ist so hoch, dass ich beim Essen sparen muss.“

Verschärft werde die Situation der älteren Landbevölkerung durch eingeschränkte Angebote der ambulanten Pflegedienste, besonders betroffen seien pflegebedürftige Menschen mit einem hohen Pflegegrad. Auch Kurzzeitpflegeplätze seien nur unzureichend vorhanden, hieß es. Hinzu kämen mangelnde Mobilitätsangebote, sodass Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Physiotherapeuten und soziale Angebote nur schwer erreicht werden könnten. Noch dazu gebe es immer weniger Landärzte, so die Diakonie.

Vor diesem Hintergrund wurden auf dem Aktionstag Lösungsvorschläge diskutiert, um die Situation der Pflegebedürftigen auf dem Land zu verbessern. Beim Thema Pflege sei die flächendeckende Einführung von Gemeindeschwestern oder Dorfkümmerern denkbar. Diese sollten frühzeitig über Pflegeangebote, finanzielle Fördermöglichkeiten und Umbauarbeiten in Wohnungen und Häusern beraten und das Zusammenspiel von Pflegeanbietern und Familien koordinieren. Zudem sollten ehrenamtliche und professionelle Strukturen in Dörfern besser vernetzt werden, hieß es. Dabei forderten die Teilnehmenden vor allem eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung, um künftig hohe Eigenanteile zu vermeiden.

Um altersgerechtes Wohnen zu verbessern, sollten mehr alternative Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser gefördert werden, hieß es. Auch müsse es mehr sozialen Wohnungsbau für barrierefreie Wohnungen auf dem Land geben. Für eine bessere Mobilität könnten etwa Mitfahrgelegenheiten über Apps besser organisiert, ehrenamtliche Fahrdienste initiiert oder Shuttles von Seniorenwohnanlagen zu Supermärkten geschaffen werden, so die Ideen vom Aktionstag. Im öffentlichen Nahverkehr seien zusätzliche Verbindungen sowie barrierefreie Busse und Haltestellen erforderlich.

Die Vorschläge des Aktionstages werden nun vom Diakonischen Werk Schleswig-Holstein fachlich bearbeitet, zusammengefasst und in die zuständigen Gremien der Kommunen, Kreise und des Landes eingebracht.