Diakonie-Chef kritisiert geplante Abschiebehaft in Glückstadt

In Glückstadt an der Elbe soll eine Abschiebehaft entstehen. Das missfällt der Diakonie Schleswig-Holstein sehr. Für ihre Position zieht sie Erfahrungen aus der Vergangenheit heran.

Das Diakonie-Team (v.l.): Michael Frenzel von der Diakonie Altholstein, Landespastor Heiko Naß, Doris Kratz-Hinrichsen und Falko Behrens vom Diakonischen Werk
Das Diakonie-Team (v.l.): Michael Frenzel von der Diakonie Altholstein, Landespastor Heiko Naß, Doris Kratz-Hinrichsen und Falko Behrens vom Diakonischen WerkNadine Heggen

Kiel. Die Diakonie Schleswig-Holstein hat die von der Landesregierung geplante Abschiebehaft in Glückstadt (Elbe) scharf kritisiert. "Eine solche Einrichtung ist ein Eingriff in die Grundrechte", sagte Diakonie-Chef Heiko Naß im Kieler Landeshaus. Stattdessen sprach er sich für den Ausbau unabhängiger Rückkehrberatungsstellen aus, die ausreisepflichtigen Menschen helfen, sich in ihrer Heimat eine Existenz aufzubauen. Gleichzeitig forderte Naß die Landesregierung auf, die bereits bestehenden Migrationsberatungsstellen im Land nachhaltig zu finanzieren. 
Der Landespastor bezeichnete die geplante norddeutsche Abschiebehaft in Glückstadt lediglich als Instrument, "das Druck ausübt und Angst machen soll". Seine Kritik wende sich dabei nicht gegen Abschiebung allgemein, sondern gegen das Mittel. Die Erfahrungen mit der ehemaligen Abschiebehaftanstalt in Rendsburg haben gezeigt, dass solche Zwangsmaßnahmen wenig dazu beitragen, die Ausreisepflicht von Betroffenen durchzusetzen, so Naß. 

Beratung für Inhaftierte gefordert

Der Jahresbericht 2013 der Einrichtung in Rendsburg zeige, dass lediglich sieben Prozent der dort lebenden Flüchtlinge abgeschoben worden seien. 30 Prozent wurden in Freiheit entlassen. Das sei unverhältnismäßig, so Naß. Er betonte, dass es sich nicht um Straftäter handele, die in Glückstadt inhaftiert werden sollen, sondern um Menschen, die rechtmäßig einen Asylantrag gestellt haben, der abgelehnt worden sei. 
Sollte die Abschiebehaft dennoch installiert werden, fordert die Diakonie eine unabhängige Verfahrensberatung für die Inhaftierten. Darüber hinaus empfiehlt die Diakonie, einen Beirat zu etablieren, der Kontakt zu den Inhaftierten aufnehmen kann und die Arbeit in der Abschiebungshaft begleitet. 
Als Alternative zu der geplanten Einrichtung sprach sich Naß für landesweit 16 freiwillige unabhängige Rückkehrberatungsstellen aus, die das Land fördern soll. Mit einer solchen mobilen Beratungsstelle hat die Diakonie bislang gute Erfahrungen gemacht: 200 Flüchtlinge beriet sie 2017 und 100 Flüchtlinge im ersten Quartal 2018 – alle kehrten in ihre Heimat zurück. Laut Bericht der Landesregierung kehrten 2018 bislang insgesamt 370 Flüchtlinge zurück. 73 wurden abgeschoben, 61 waren Dublin-Fälle, 236 gingen freiwillig in ihre Heimat zurück. Die Zahl der Freiwilligen würde mit dem Ausbau solcher Beratungsstellen deutlich steigen, sagt die Diakonie.

Beratung über viele Jahre

Bei der Integration von Flüchtlingen spielen die 60 Migrationsberatungsstellen in Schleswig-Holstein, 20 davon unter dem Dach der Diakonie, eine wichtige Rolle, erklärte Naß weiter. Sie beraten die Menschen in rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Fragen und geben Unterstützung bei den Themen Aus- und Fortbildung, Arbeitsplatz, Spracherwerb und Wohnungssuche. Die Finanzierung der Stellen sei jeweils für ein Jahr gesichert und müsse dann neu beantragt werden. 
Diese Praxis behindert eine langfristig ausgerichtete Beratungsarbeit, sagte Michael Frenzel, Fachbereichsleiter Migration und Flüchtlinge bei der Diakonie Altholstein. "Bis Migranten zu einem selbstständigen, integrierten Leben gefunden haben, dauert es zwischen fünf und zehn Jahren. Genauso lang benötigen sie unsere Unterstützung." Aus Sicht der Diakonie sind mehrjährige Finanzierungszusagen dringend erforderlich. So könnten auch die Fachkräfte besser an die Beratungsstellen gebunden werden. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels fällt es den Beratungsstellen immer schwerer, qualifiziertes Personal zu finden. 

Frust bei Betroffenen

Als Hemmnis der Integration sieht die Diakonie die Beschränkungen beim Familiennachzug für subsidiär anerkannte Flüchtlinge an. Demnach plant die Bundesregierung, künftig monatlich maximal 1000 Anträge auf Familiennachzug zuzulassen. In Schleswig-Holstein dürfen dann nur 35 Flüchtlinge pro Monat Familienangehörige nachholen. 
"Diese neue Regelung sorgt bei den Betroffenen für Frust. Es fällt ihnen immer schwerer, sich zu integrieren", sagt Doris Kratz-Hinrichsen, Fachbereichsleiterin Flucht und Migration beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. Die Diakonie fordert die Landesregierung deshalb auf, sich für eine Ausweitung des Familiennachzuges einzusetzen. (epd)