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Deutschland gedenkt der Opfer von Kriegen und Gewalt

Er ist über 100 Jahre alt. Der Volkstrauertag hat lange an die Opfer längst vergangener Kriege erinnert. Doch seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt.

Deutschland hat am Sonntag der Millionen Toten beider Weltkriege sowie aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Zum Volkstrauertag wurden Fahnen bundesweit an öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt. Zudem gab es Gottesdienste sowie Kranzniederlegungen auf Friedhöfen und an Gedenkstätten.

Bei der zentralen Feierstunde im Bundestag rief Bundestagspräsidentin Julia Klöckner dazu auf, Frieden und Demokratie konsequent zu verteidigen. “Wer weiß, wohin Hass und Verblendung führen, der darf nicht schweigen, wenn Frieden und Demokratie bedroht werden”, sagte sie. Frieden und auch Demokratie seien keine Zustände, die sich von selbst erhielten und die man verwalten könne. “Sie sind Aufgaben, die jeden Tag neu beginnen und die kein anderer für uns erledigt.”

Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, sagte, am Ende des Zweiten Weltkrieges habe Deutschland auch moralisch in Trümmern gelegen. Es sei damals schwer vorstellbar gewesen, dass das Land wieder eine Zukunft haben könnte.

Die Rede im Plenarsaal hielt in diesem Jahr Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach das Totengedenken. Die Tradition gibt es seit 1952; der dazugehörige Text wird in diesem Jahr erstmals um Menschen erweitert, die wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität Opfer der Nazis wurden, sowie um im Einsatz getötete Polizistinnen und Polizisten.

Zuvor hatten Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz und Mattarella an der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Kränze niedergelegt.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt rief der Magdeburger katholische Bischof Gerhard Feige zu Wachsamkeit auf. “Überall beobachten wir auch heute mit Sorge, dass Ängste geschürt und Sündenböcke gesucht werden, Vorurteile und Abgrenzungen zunehmen, Eigeninteressen höher rangieren als der Sinn für Solidarität”, sagte er. “Nächstenliebe wird zum Unwort und Fremdenfeindlichkeit gesellschaftsfähig.”

Der Volkstrauertag wurde 1919 als Gedenktag für die Kriegstoten des Ersten Weltkriegs eingeführt. Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Reichstag in Berlin statt. In der Bundesrepublik wurde er 1952 als Tag der “nationalen Trauer” wieder eingeführt, wobei auch der zivilen Opfer des Krieges gedacht wird.

In einem Interview hatte Schneiderhan zum Volkstrauertag vor einem Verfall der Kriegsgräber gewarnt. “Zwar bekommt der Volksbund im Bundeshaushalt für das nächste Jahr 2,5 Millionen Euro zusätzlich”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. “Dies gleicht aber nur einen Teil des derzeitigen Defizits aus – zumal auch die Erhöhung für dieses Jahr nur einmalig war und nicht verstetigt wurde.” Der Volksbund betreut mehr als 830 Kriegsgräberstätten mit mehr als 2,8 Millionen Kriegstoten in 45 Staaten.

Schneiderhan beklagte ein strukturelles und vor allem wachsendes Defizit. “Denn die Spenden, die immer noch deutlich mehr als die Hälfte der gesamten jährlichen Einnahmen von rund 54 Millionen Euro ausmachen, gehen zurück.” Aktuell unterstützen nach seinen Angaben noch knapp 68.000 Mitglieder die Arbeit.

Zugleich wüchsen die Ausgaben und Aufgaben stetig, sagte der Volksbund-Präsident. Darunter seien steigende Energiekosten sowie deutlich steigende Löhne in Osteuropa, wo viele Kriegsgräberstätten liegen. “Zu den gestiegenen Betriebskosten kommt ein signifikanter Investitionsstau von derzeit deutlich über 20 Millionen Euro hinzu, darunter auch für die 23 Kriegsgräberstätten in Westeuropa, die neuerdings von der Unesco unter den Schutz des Weltkulturerbes gestellt wurden.”