Die Auszeichnung als Welterbestätte ist ein Gütesiegel. Die Bundesrepublik liegt mit 54 Stätten ganz vorn im Ranking. Doch damit verbunden sind auch Probleme wie Over-Tourism.
Es ist so etwas wie ein Adelstitel: Wer es in die Liste des Welterbes der Weltkulturorganisation Unesco schafft, hat internationale Aufmerksamkeit im Überfluss. Doch die Präsidentin der deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, weiß auch: Der Welterbe-Titel kann “Fluch und Segen zugleich” bedeuten.
Stoff zum Nachdenken also für den Welterbetag, zu dem die insgesamt 54 deutschen Kultur- und Naturerbestätten am Sonntag eingeladen haben. Es gab Führungen, Mitmachaktionen und Konzerte. Höhepunkt des Aktionstages: Die Feier zum 200. Geburtstag der Berliner Museumsinsel, die seit 1999 zur erlesenen Liste gehört.
Zum Welterbe zählen städtebauliche Ensembles ebenso wie Einzeldenkmäler, Ökosysteme und Landschaften. Neben so bekannten Stätten wie der Akropolis in Athen, Notre-Dame in Paris, dem Kölner Dom oder der Alhambra in Granada gibt es viel Unbekanntes: megalithische Krüge in Laos, armenische Klosteranlagen im Iran oder eine britische Marine-Werft in Antigua.
Weltweit sind seit 1978 mehr als 1.200 Stätten auf der stetig wachsenden Liste des Unesco-Welterbes verzeichnet. Davon sind 952 Kultur- und 231 Naturerbestätten. Die Vielfalt spiegelt sich auch in den deutschen Welterbestätten: Sie reicht von den Domen von Aachen, Hildesheim, Köln und Speyer über die Fossilienfundstätte Grube Messel, die Altstadt von Quedlinburg und die Zeche Zollverein bis hin zum römischen Limes, prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen und dem Wattenmeer.
Startpunkt für die Welterbe-Idee war eine einzigartige internationale Solidaritätskampagne, wie Böhmer in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift “Politik und Kultur” des Deutschen Kulturrates schreibt. Als 1964 die Tempel von Abu Simbel in Ägypten durch den Bau des Assuan-Staudamms von Überflutung bedroht waren, setzten sich viele Staaten dafür ein, die Tempel zu verlegen und zu retten. Damit war die Idee des Welterbes geboren.
Wer auf die Liste will, muss den “außergewöhnlichen universeller Wert” der jeweiligen Stätte nachweisen und ein Konzept für den Erhalt präsentieren, betont Böhmer. Der universelle Wert leitet sich aus zehn Kriterien ab: Es muss sich beispielsweise um ein Zeugnis herausragender menschlicher Schöpferkraft handeln, besonders bedeutsam sein für einen historischen Zeitraum oder einen wichtigen Schnittpunkt menschlicher Entwicklung in Sachen Architektur, Technik, Großplastik, Städtebau oder Landschaftsgestaltung repräsentieren.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, betont, dass die Welterbeliste nicht nur ein Verzeichnis der besonders schönen Erinnerungsstätten sei. Schließlich sind auch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau seit 1979 und das Nukleare Testgelände auf dem Bikini-Atoll (Marshallinseln) seit 2010 in die Liste aufgenommen.
Drei Stätten wurden bislang aus dem Kulturerbe wieder gestrichen: das Wildschutzgebiet der Arabischen Oryx in Oman, Liverpool als Beispiel für eine maritime Handelsstadt in Großbritannien – und die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, die 2009 wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke den Titel verlor.
Die Rangliste der Länder mit den meisten Welterbestätten führt mit 60 Stätten Italien an, dicht gefolgt von China mit 59. Auf dem dritten Platz liegt schon Deutschland mit 54 Stätten und direkt danach Frankreich mit 53. Darauf folgt Spanien mit 50 Stätten, Indien mit 43, Mexiko mit 35, Großbritannien mit 34, Russland mit 32 und der Iran mit 28 Stätten.
Diese Liste offenbart zugleich die Schieflage in der geografischen Verteilung der Welterbestätten, wie Böhmer einräumt. Unter den “Top Ten” sind einschließlich Russland sechs europäische Länder, aus Asien mit China, Indien und Iran drei und aus Süd- und Nordamerika ein Land. Afrika, Australien oder Ozeanien folgen unter “ferner liefen”. Nicht umsonst mahnen daher Unesco-Mitgliedstaaten aus dem globalen Süden eine bessere Vertretung ihrer Regionen an.
Zwiespältig ist die Rolle des Tourismus, den der Welterbe-Titel auslöst: Welterbestätten wie der Kölner Dom oder Venedig etwa leiden auch unter der großen Masse von Besuchern. Neben “Over-Tourism” setze auch der Klimawandel vielen Welterbestätten zu, analysiert Friederike Hansell, Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das Welterbe, in der Zeitschrift des Kulturrats. Unter Druck gerate der Welterbestatus auch durch Klimawandel, knappe finanzielle Ressourcen und veränderte gesellschaftliche Erwartungen. “Wie werden lokale Gemeinschaften einbezogen? Und wie lässt sich kulturelles Erbe in Zeiten von Digitalisierung, Migration und Klimawandel bewahren?”