Deutsche Politiker fordern Reformen in Kosovo

Die kosovarische Regierung arbeitet weiter auf eine EU-Mitgliedschaft hin. Dem Nachbarn Serbien missfällt das. Doch auch Deutschland zeigt sich offen für eine Aufnahme – unter bestimmten Bedingungen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zu Wochenbeginn mit seinem kosovarischen Amtskollegen Albin Kurti telefoniert. Dabei forderte er “konkrete Schritte” für die Schaffung einer Serben-Verwaltungszone. Der Umgang mit der ethnischen Minderheit könnte für das überwiegend von Albanern bewohnte Kosovo zum Zünglein an der Waage werden: Schafft Europas jüngste Nation den Sprung in den Europarat – und in weiterer Folge auch in die EU?

Im Deutschen mag der “Verband der Gemeinden mit serbischer Mehrheit” etwas gestelzt daherkommen; nicht weniger im englischen Diplomaten-Jargon. Dabei ist die Verwaltungszone ausschlaggebend nicht nur für die serbische Bevölkerung in Kosovo, sondern auch für den Frieden in der Region. Die Idee eines Serben-Gebiets innerhalb des Staates existiert seit elf Jahren. Bisher hat die Regierung in Pristina die Gründung aber immer wieder vertagt – zum Ärger und gleichzeitiger Schadenfreude des großen Nachbarn Serbien. In Belgrad sieht sich Präsident Aleksandar Vucic bestätigt: Kosovos ethnisch-albanischer Regierung gehe es darum, auch noch die letzten Serben aus dem Land zu vertreiben.

2008 hatte sich Kosovo von Serbien losgesagt. Doch Belgrad – und eine Handvoll EU-Staaten – betrachten das Gebiet immer noch als serbisches Territorium. Im vergangenen Jahr drohte der Streit zwischen Belgrad und Pristina erneut zu eskalieren. Etwa im September, als serbische Extremisten sich ein stundenlanges Gefecht mit Kosovos Polizei lieferten. Bei dem Angriff in Banjska gab es mehrere Tote. Bloß vier Monate zuvor hatten serbische Bewohner im Nordkosovo Nato-Soldaten mit Brandsätzen attackiert. Sie demonstrierten gegen albanische Bürgermeister, die Pristina in den Serben-Gemeinden nach einem Wahl-Boyott eingesetzt hatte.

Die Lage ist also verfahren. Fest steht aber: Berlin und andere europäische Hauptstädte pochen auf eine Serben-Zone als Voraussetzung für Kosovos europäische Integration. Im April gaben die EU-Spitzen grünes Licht für Kosovos Aufnahme in den Europarat. Die endgültige Entscheidung soll beim Treffen der Außenminister Mitte Mai fallen. “Konkrete Schritte müssen unternommen werden, denn der Europarat schenkt Minderheitenrechten spezielle Aufmerksamkeit”, so der deutsche Botschafter in Pristina, Jörn Rohde.

Seit Jahren vermittelt die EU im Streit zwischen Serbien und Kosovo. Der größte Erfolg, den die Brüsseler Diplomaten bisher vorweisen können, ist ein Lippenbekenntnis: Vor einem Jahr einigten sich Vucic und Kurti im sogenannten Ohrid-Abkommen auf eine zwischenstaatliche Normalisierung. Unterzeichnet wurde der Vertrag bislang nicht. Im Gegenteil: Statt einer Annäherung kam es seither wiederholt zu Provokationen. Im Februar ersetzte Kosovos Regierung den Dinar als Zahlungsmittel landesweit durch den Euro. Serbien stellte daraufhin Bankautomaten im Nordkosovo auf, um die Bewohner weiterhin mit der serbischen Währung zu versorgen. Im April verwehrte Serbien Hunderten Kosovaren an der Landesgrenze die Weiterreise. Einige, darunter auch Kosovos Vizepolizeidirektor, wurden aus unbekannten Gründen festgenommen.

Heilig scheint in dem Streit selbst die Religion nicht. So beklagt die serbisch-orthodoxe Kirchenführung in Kosovo schon länger die Umwidmung ihrer Gotteshäuser durch Kurtis Regierung. Diese habe orthodoxe Einrichtungen als “katholisch” deklariert mit der Absicht, das serbische Erbe in der Region zu ersetzen. Einen Hoffnungsschimmer hingegen gab es vorigen Monat, als ein jahrelanger Streit um Kirchenland endete. Kurti ordnete an, dem serbisch-orthodoxen Kloster Visoki Decani 24 Hektar Land zurückzugeben, die das kommunistische Regime nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt hatte. Trotz eines gegenteiligen Gerichtsurteils hatte Pristina die Rückgabe lange verweigert.

Vor der bevorstehenden Abstimmung über Kosovos Mitgliedschaft im Europarat drohte Serbien im Falle einer Annahme mit dem Ausstieg aus dem Verbund. Doch die Regierung in Belgrad muss sich wohl an den Gedanken gewöhnen. Fragt man den EU-Botschafter in Pristina, Tomas Szunyog, dann liegt die Zukunft Kosovos “ohne Zweifel in der Europäischen Union”. Und der politische Einfluss Serbiens, ebenfalls ein Beitrittskandidat, ist in dieser Frage begrenzt.