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Deutsch-polnischer Bischofs-Briefwechsel von 1965

Katholische Bischöfe ebneten 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg für Verständigung zwischen Deutschen und Polen. Ihre damals mutige Botschaft ist heute noch Vorbild für andere Länder.

Der Briefwechsel zwischen den katholischen Bischöfen Polens und Deutschlands von 1965 gilt als Musterbeispiel für den Brückenbau zwischen Ländern, die lange als Erbfeinde galten. Nach den grausamen deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs, in dem auch einige polnische Bischöfe und weit mehr als 1.000 Priester ermordet wurden, war die Stimmung in Polen jahrelang stark antideutsch. Trotzdem wollten die polnischen Bischöfe auch ihre deutschen Amtsbrüder zur Tausendjahrfeier der Christianisierung ihres Landes im Mai 1966 einladen. Davon erhofften sie sich offenbar auch, Papst Paul VI. besser zur Teilnahme an der Millenniumsfeier in Tschenstochau (Czestochowa) bewegen zu können – ohne Versöhnung und Anwesenheit deutscher Bischöfe schien sie undenkbar.

Zugleich dachten Polens Bischöfe auch politisch. Mit der Annäherung an das demokratische Westdeutschland wollten sie zur Überwindung des Kommunismus und zu Polens Rückkehr nach Europa beitragen. In ihrem langen Brief vom 18. November 1965 brachen sie ein Tabu der Volksrepublik Polen: Sie bedauern das “Leid der Millionen von Flüchtlingen und vertriebenen Deutschen”. Die Versöhnungsbotschaft gipfelt im letzten Absatz in den berühmten Worten: “In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin (…), gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.”

Gut zwei Wochen später nahmen die deutschen Bischöfe die Einladung an und würdigten sie als “kostbare Frucht” der gemeinsamen Arbeit beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Der begonnene Dialog werde “die Brüderlichkeit zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk fördern und festigen”, schrieben sie. Klar bekennen die Bischöfe: “Furchtbares ist von Deutschen und im Namen des deutschen Volkes dem polnischen Volk angetan worden.” Und: “So bitten auch wir zu vergessen, ja wir bitten zu verzeihen.”

Das Antwortschreiben wurde allerdings in Polen als eher kalt wahrgenommen. Vor allem fehlte darin ein Wort zur polnischen Westgrenze, während sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kurz zuvor, am 1. Oktober 1965, in ihrer “Ostdenkschrift” vom Beharren besonders der Vertriebenen auf eine Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 distanziert hatte.

Die damaligen kommunistischen Machthaber in Warschau sahen durch die polnischen Bischöfe ihr außenpolitisches Monopol bedroht. Sie entfachten eine antikirchliche Kampagne und glaubten, die Oberhirten nun leicht diffamieren zu können. Die Bischöfe wurden beschuldigt, sich den Deutschen angebiedert und das polnische Volk verraten zu haben.

Doch Polens Primas, Kardinal Stefan Wyszynski, blieb standhaft. Bei der Tausendjahrfeier der Christianisierung in Tschenstochau rief er eine halbe Million Gläubige mit Erfolg auf, niederzuknien und zu rufen: “Wir vergeben.” Der Briefwechsel wurde so zu einer großen deutsch-polnischen Erfolgsgeschichte und zum Vorbild für andere Versöhnungsinitiativen. So finden sich die Worte “Wir vergeben und bitten um Vergebung” zum Beispiel auch in einer Erklärung polnischer und ukrainischer Bischöfe von 2003.