Der Weg aus der Obdachlosigkeit

Jahrelang war Thomas R. drogen- und alkoholabhängig, verlor Freunde und Familie. In einem Männerheim der Heilsarmee bekam er eine neue Chance. So wie ihm hilft die Heilsarmee vielen Menschen.

Essensausgabe im Haus der Hamburger Heilsarmee
Essensausgabe im Haus der Hamburger HeilsarmeeStephan Wallocha / epd

Hamburg/Köln. "Das Leben könnte für mich nicht schöner sein", sagt Thomas Röll (Name geändert). Der 54-Jährige schwärmt: Er hat eine glückliche Beziehung und liebt seine Arbeit. Dass beides nicht selbstverständlich ist, dass es nicht einmal selbstverständlich ist, dass er noch lebt, weiß Röll. Die Heilsarmee in Köln hat ihn gerettet, davon ist der ehemalige Alkoholiker überzeugt, ein Wohnheim für Männer bewahrte ihn vor einem Leben auf der Straße.
In Deutschland sind schätzungsweise 335.000 Menschen wohnungslos, 40.000 von ihnen leben auf der Straße. Die anderen kommen bei Freunden oder Einrichtungen wie denen der Heilsarmee unter. "Die Wege in die Wohnungslosigkeit sind so vielfältig wie die Menschen selbst", sagt der Armutsexperte Harald Ansen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lebenskrisen wie eine Trennung oder der Verlust der Arbeitsstelle könnten Auslöser für den Absturz sein. "Hinzu kommt dann oft ein sehr wichtiger Faktor: Armut. Wohlhabende, die in eine Krise geraten, haben meist andere Möglichkeiten der Kompensation", sagt der Professor für Soziale Arbeit an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Permanent auf Drogen

Thomas Röll war der jüngste Sohn einer kinderreichen Familie. Über die älteren Brüder kommt er früh in Kontakt mit Alkohol. "Seit ich zwölf war, habe ich permanent Drogen genommen", erinnert er sich. Er kam ins Heim und hat danach "viele krumme Sachen" gemacht. Dann scheint es bergauf zu gehen: Er heiratet, bekommt ein Kind. Doch schnell folgt die Trennung. "Ich habe erst nach meiner Ehe verstanden, dass ich Alkoholiker war." Röll verliert sowohl den Kontakt zu seinen Freunden als auch zu seiner Familie. "Mit meiner Art habe ich alle von mir weggestoßen." Mit Ende 20 kam er dann zur Heilsarmee.
"Unser Hauptziel ist, dass bei den Menschen, die zu uns kommen, eine Lebensveränderung stattfindet", sagt Kornelia Krämer. Sie leitet gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen die Tagesstätte der Heilsarmee an der Hamburger Reeperbahn. Immer wieder erlebe sie jedoch auch, dass Menschen nach einem kurzen Hoch wieder in alte Muster verfallen. "Gerade, wenn Alkohol im Spiel ist, ist es besonders gravierend", sagt die Gemeindepädagogin.
Das zeigt auch Rölls Geschichte. Als er zur Heilsarmee kam, hatte er gerade eine Entgiftung und eine Therapie hinter sich. Doch beim Alkohol war er immer wieder rückfällig. Dann kam die Wende: "Als ich wieder einmal vollgesoffen war, sagte mir ein Sozialarbeiter, ich müsse in den Entzug oder ausziehen", berichtet Röll. Normalerweise habe er auf solche Ansagen nichts gegeben. Doch der Mann habe den richtigen Ton getroffen.

Auf die Menschen eingelassen

"Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Heilsarmee", sagt Armutsforscher Ansen. Die Menschen seien vor Ort und würden sich auf diejenigen, die Hilfe brauchen, einlassen. "Aus Gesprächen mit wohnungslosen Menschen weiß ich, dass sie sich noch mehr als materielle Hilfe Respekt wünschen. Das vermissen sie auf eine bedrückende Art und Weise."
Auch Kornelia Krämer ist es wichtig, dass es nicht nur um die Versorgung der Hilfsbedürftigen geht. "Wir wollen, dass sich die Menschen bei uns wertgeschätzt fühlen." Das hat Thomas Röll ebenso in Köln erlebt: "Ich habe dort so viel Menschlichkeit erfahren. Alle waren mir wohlgesinnt, haben nicht nur den ‚bösen Jungen‘ in mir gesehen."

"Ich hätte mich nicht eingestellt"

Das zeigte sich auch nach seinem letzten, diesmal erfolgreichen Entzug. Nachdem er zuvor als Ehrenamtlicher mitgearbeitet hat, bot man ihm nun eine Stelle als Küchenhelfer an. "Unbefristet. Ich verstehe erst heute, wie viel Vertrauen das bedeutet hat und wie viel Glück ich hatte", sagt er. Mittlerweile kommt Röll nur noch zum Arbeiten zur Heilsarmee. Er lebt in einer eigenen Wohnung.
Für diesen Weg brauchte es Menschen, die Vertrauen in ihn hatten. "Wenn ich ehrlich bin – ich hätte einen Menschen wie mich, der drei Flaschen Wodka getrunken hat, um auf einem normalen Level zu sein, nicht eingestellt. Dass die Heilsarmee es trotzdem gemacht hat, hat vieles bei mir im Kopf ausgelöst", sagt er. (epd)