Der unscheinbare Sensationsfund von Kirch Mummendorf
Einen sensationellen Fund gab es bei Voruntersuchungen für Sanierungsarbeiten an der Kirche von Kirch Mummendorf bei Grevesmühlen (Landkreis Nordwestmecklenburg). Im Dachwerk des frühgotischen Sakralbaus aus der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden drei Balkenstücke aus Eiche entdeckt, die noch 200 Jahre älter sind. Sie stammen aus den Jahren 1026, 1059 und 1068. Damit sind sie die ältesten bisher in Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesenen Hölzer, die heute noch in einem Bauwerk ihre Funktion erfüllen.
Der bisher älteste Balken, der in MV in einem Bauwerk nachgewiesen werden konnte, ist knapp 150 Jahre jünger. Er stammt aus dem Jahr 1170 und befindet sich im Dachwerk der Gadebuscher evangelischen Stadtkirche Jakobus und St. Dionysius.
Wie Bauforscher Ralf Gesatzky, der die Untersuchung durchführte, erklärt, gibt es allerdings einen Unterschied zwischen den beiden Fundorten: Während sich der Balken in Gadebusch seitdem an seiner ursprünglichen Stelle über dem romanischen Kirchenschiff befindet, stammen die Kirch Mummendorfer Bauhölzer aus einem, wenn nicht gar mehreren hölzernen Vorgängerbauten und wurden in der späteren Backsteinkirche wiederverwendet.
Sie sind Zeugen einer unruhigen Zeit im 11. Jahrhundert und stützen so die Berichte von Chroniken. Diese berichten von ersten Versuchen, die westlichen Slawenstämme der Polaben und Obodriten zu christianisieren und ins römisch-deutsche Reich einzugliedern. Allerdings wurde dort auch festgehalten, dass diese Versuche durch Aufstände slawischer Stämme immer wieder scheiterten.
So belegt der etwa mannshohe älteste Balken aus Kirch Mummendorf von 1026 die Berichte von Missionsbestrebungen des damaligen Erzbischofs Unwan von Bremen (Erzbischof von 1013 bis 1029) im westlichen Ostseeraum und die Errichtung von Holzkirchen auch im heutigen Westmecklenburg.
Und die beiden Balken von 1059 und 1068 sind, so deutet es Bauforscher Gesatzky, Zeugnisse von Reparaturarbeiten oder einem Wiederaufbau nach Zerstörung. Vor allem der große Aufstand 1066 gegen den eigenen, bereits christlichen Obodritenfürsten Gottschalk vernichtete weithin die sich im Aufbau befindliche kirchliche Infrastruktur. Diese wuchs erst wieder, als der Sachsenherzog Heinrich der Löwe Mitte des 12. Jahrhunderts das Obodritenland endgültig seiner Herrschaft unterwarf.
Das enorme Alter der Balken kam ans Licht, weil Ralf Gesatzky bei den Bauuntersuchungen aus dem Dachstuhl der Kirch Mummendorfer Kirche Bohrproben gezogen hatte, um sie am Deutschen Archäologischen Institut von dem Experten Karl-Uwe Heussner dendrochronologisch untersuchen zu lassen. „Diese Methode vergleicht die Stärke von Jahresringen im Holz, die je nach Witterung unterschiedlich ausfällt, mit einer Stück für Stück in die Vergangenheit erweiterten Standardkurve der Jahresringe einer Region“, erläutert der Bauhistoriker.
Für Norddeutschland reiche diese Vergleichsmöglichkeit inzwischen bis etwa 3.000 Jahre vor Christus zurück. So sei es möglich, exakt auf das Jahr zu bestimmen, wann der Baum gefällt wurde, aus dem ein Balken stammt. Und da im Mittelalter mit den damaligen Werkzeugen Hartholz wie Eiche nur frisch geschlagen bearbeitet werden konnte, erklärt Gesatzky, sei damit auch das Jahr der Verwendung in einem Bau gefunden.
Für Franziska Czygan und Chris Böhler vom Förderkreis der Kirche kommt die Nachricht, dass sich diese Zeugnisse aus der Frühgeschichte Mecklenburgs ausgerechnet in ihrer Kirche befinden, gerade recht. Denn der 2022 gegründete Förderkreis, der heute bereits 53 Mitglieder hat, ist mit viel Engagement dabei, diesen Sakralbau wieder „wachzuküssen“, wie es die Vorsitzende Czygan nennt. Gemeindeglieder gebe es hier zwar nur wenige, zudem habe die evangelische Kirchengemeinde Roggenstorf, zu der Kirch Mummendorf gehört, insgesamt sieben mittelalterliche Kirchen zu erhalten. Ziel sei es, die Kirche zu sanieren und auch mit kulturellen Angeboten wieder zu einem Mittelpunkt der umliegenden Dörfer zu machen.