„Der Schatz muss gehoben werden.“

Im Rahmen der Februartagung der Landessynode der evangelischen Nordkirche hat der Leiter der Stabsstelle Prävention, Rainer Kluck, seinen Abschlussbericht gehalten. Die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche ist „ein Schatz“, sagte Kluck dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Aber der Schatz muss gehoben werden und dafür brauchen wir Zeit.“ Am 14. Juni wird er in den Ruhestand verabschiedet.

epd: Mit Blick auf die ForuM-Studie, aber auch auf die gesamte Zeit, in der Sie sich schon mit dem Thema Prävention in der Nordkirche beschäftigen – wie weit ist die Nordkirche beim Thema Prävention?

Rainer Kluck: Ich glaube, man kann mit Ernst sagen, dass die Nordkirche schon ziemlich weit ist im Vergleich zu anderen Landeskirchen. Weil wir schon seit 2010 durch den Fall Ahrensburg so angetriggert waren, dass wir tatsächlich den Ernst der Situation erkannt haben, wir konnten uns das nicht mehr schönreden. Dann ging es Schlag auf Schlag, dass wir von 2012 an wichtige Instrumente etabliert haben, 2012 bis 2014 die große Untersuchung und 2018 das Präventionsgesetz.

Wir haben uns externe Unterstützung geholt, um zu wissen, wo geht’s lang in Sachen Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Anerkennung. Ich würde sagen, wir können mit Fug und Recht sagen, die Nordkirche ist hier schon ein gutes Stück weit gekommen. Wir stehen nicht mehr am Anfang, aber es gibt noch so viel zu tun, gerade in Bezug auf die Wahrnehmung der Betroffenen.

epd: Wie steht es denn um die Wahrnehmung der Betroffenen durch die Nordkirche?

Kluck: Das Instrument, durch das wir am meisten erfahren haben, sind seit 2012 die unzähligen Gespräche mit Betroffenen, in denen wir von ihrem Leid erfahren haben. Meine Erfahrung dabei ist, dass es ganz wichtig ist, sich die Zeit zu nehmen zuzuhören. Das ernst zu nehmen, was die Betroffenen zu sagen haben und ihnen auch Glauben zu schenken. Glauben schenken heißt, verstehen wollen, was hinter der Geschichte zwischen den Zeilen ist, um ermessen zu können, was Betroffene tatsächlich erlitten haben und was ihre Wut und ihren berechtigten Zorn auf Kirche ausmacht.

epd: Was muss die Nordkirche aus Ihrer Sicht jetzt zuerst angehen?

Kluck: Sich Zeit dafür nehmen, den Bericht sehr gründlich zu lesen. Die Studie ist ein Schatz, aber der Schatz muss gehoben werden. Nicht in Aktionismus zu verfallen, sondern zu gucken, denn wir haben schon viele Präventions- und Interventionsinstrumente etabliert. Die müssen jetzt noch mal überprüft werden, ob sie wirklich wirksam sind und nicht an den Menschen vorbei agieren.

Mit Blick auf eine Kultur der Achtsamkeit reicht es uns zum Beispiel nicht, wenn alle Pastorinnen und Pastoren die Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Sie ist gekoppelt mit einer Basisfortbildung, die für alle verpflichtend ist, damit alle miteinander ins Gespräch kommen.