Der Punk der Nordkirche

Im vergangenen Jahr ist Matthias Isecke-Vogelsang in die Landessynode der Nordkirche eingezogen – und fällt dort auf. Der 66-Jährige ist Punker und wünscht sich eine politische Kirche.

Matthias Isecke-Vogelsang während der Synode der Nordkirche im November 2018
Matthias Isecke-Vogelsang während der Synode der Nordkirche im November 2018Carsten Rehder / dpa

Süsel. Die vorherrschende Haarfarbe in der Landessynode der Nordkirche ist grau. Mit seinem grün-blauen Irokesen-Schnitt, Nieten-Armband und zerrissenen Jeans fällt Matthias Isecke-Vogelsang hier besonders auf. Doch Punk und Christentum passen für den pensionierten Schulleiter aus Süsel bei Lübeck gut zusammen. „Zu den 99 Namen Gottes gehört als 100. ‚Punk‘ dazu“, meint der 66-Jährige.

Aufgewachsen ist Matthias Isecke-Vogelsang in einem Arbeiterviertel in Essen. „Ich war ein nicht angepasstes Kind mit vielen Schwierigkeiten“, räumt er ein. Mit 20 Jahren wurde er Hippie. Einige Jahre später entdeckte er den Punk. Es sei die Chance gewesen aufzufallen. „An Hippies hatten sich viele gewöhnt.“ Auch im Generationenkonflikt mit seinen Eltern sah er den Punk als Möglichkeit, „noch mal eine Schippe drauf zu legen“, erzählt er.

Schlagzeilen als „Punk-Pauker“

Kindheit und Jugend waren christlich geprägt. Er ging regelmäßig zum Kindergottesdienst, war beim CVJM und bei den Pfadfindern aktiv. In seinem Pädagogik-Studium wählte er Religion als Zusatzfach. Sein Interesse am Religionsunterricht hielt auch als Lehrer und Schulleiter an. Er rief Schulgottesdienste ins Leben und organisierte Fortbildungen für Religionslehrkräfte. Gemeinsam mit seiner Frau Annegret schreibt er derzeit ein Buch über „Spiele im Religionsunterricht“.

Vermutlich gibt es bundesweit keinen Schulleiter, der als „Punk-Pauker“ so häufig für Schlagzeilen sorgte – vor allem nach seinem Wechsel von Süsel nach Lübeck 2010. Vor einem Jahr ging Isecke-Vogelsang in Pension. Gerade weil er selbst ein schwieriges Kind war, schlage sein Herz für problematische Schüler, sagt er. Es passe zum Punk, sich für benachteiligte Kinder einzusetzen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. „Deshalb konnte ich Schulleiter und Punk gut miteinander verbinden.“

Ehrenamtlich ist er seit Langem in der Kirche engagiert, hat Strandgottesdienste in Scharbeutz und Motorrad-Gottesdienste mitorganisiert. Vor einem Jahr wurde Isecke-Vogelsang in die Landessynode der Nordkirche gewählt und hat dort auch gleich den Vorsitz des Inklusionsausschusses übernommen.

Was Punks und Christen gemeinsam haben

Punks und Christen, so sieht es Matthias Isecke-Vogelsang, haben ein ähnliches Menschenbild. Im Mittelpunkt stehe das Miteinander, die Hilfe für Schwache und die Akzeptanz anderer ohne Vorbehalt. Er räumt allerdings ein, dass nicht alle seiner „Punkerkumpels“ dies teilten. Ihm sei wichtig, die eigene Individualität zu behalten und authentisch zu bleiben.

Matthias Isecke-Vogelsang wünscht sich eine politische Kirche, die mit ihren Positionen auch mal aneckt. Sie habe den klaren Auftrag zu sagen, was in der Gesellschaft falsch läuft. Sie müsse zudem ihre Botschaft in einfacher Sprache vermitteln. Neue Formen der Gottesdienste seien sinnvoll, um mehr Menschen anzusprechen, findet er.
Die christliche Religion sei auch Basis seines eigenen Lebens, auf die er seine Werte aufgebaut habe, sagt er. Es gehe um grundsätzliche Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Tod. „Ich möchte nicht mit dem letzten Atemzug sagen: ‚Das war’s.‘“

Mit seiner Frau hat er drei Kinder, die mittlerweile erwachsen sind. Großvater ist er auch schon. Im kommenden Jahr will das Ehepaar Süsel verlassen und nach Hamburg ziehen. Vor allem die Kultur in der Großstadt reizt die beiden. „Wir wollen kulturelles Leben noch mal in vollen Zügen miterleben“, sagt Isecke-Vogelsang. Mitglied seiner Kirchengemeinde will er trotz des Umzugs bleiben – und damit auch Landessynodaler der Nordkirche.