Der Mann der zwölf Töne

Er ist der bedeutende Wegbereiter der zeitgenössischen Musik. Konsequent hat Arnold Schönberg (1874-1951) eine ganz neue Art des Komponierens verfolgt. Die heute als Zwölftontechnik bekannte „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“ machte den in Wien geborenen jüdischen Komponisten weltbekannt. Am 13. September jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal.

Die Direktorin des Arnold Schönberg Centers in Wien, Ulrike Anton, sagt über ihn: „Er ist eine ganz große Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts.“ Sein Verdienst sei es, das Dur-Moll-System verlassen zu haben und mit zwölf gleichwertigen Tönen zu komponieren. Dies sei auch für ihn ein sehr langer Prozess gewesen, aber er habe ihn kompromisslos verfolgt.

Laut Anton haben sich damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Hierarchien aufgelöst, in der Politik wie in der Musik. Alle zwölf Töne gleich zu bewerten, diese Idee habe „wahrscheinlich ein bisschen in der Luft gelegen“. Schönberg habe es angepackt, schließlich habe es einer machen müssen.

„Kein Komponist seiner Zeit und unserer Zeit kommt an der Größe Schönbergs vorbei“, sagt Anton. Doch zu Lebzeiten wurden seine Werke oft ausgebuht und verrissen. In einer Kritik zu seiner 1905/1906 entstandenen ersten „Kammersymphonie“ – die noch nicht nach der Zwölftontechnik, aber freier als üblich komponiert war – ist von „pöbelhaftesten Manieren, Lärm zu machen“ die Rede. Schönberg komponiere „wilde, ungepflegte Demokratengeräusche, die kein vornehmer Mensch mit Musik verwechseln kann“. Aber der „Spuk“ werde vorübergehen, er habe keine Zukunft, er erfreue sich nur „einer sehr äußerlichen, armseligen Gegenwart“.

Doch es kam anders als jener Kritiker dachte: Heute sei das Publikum viel aufgeschlossener und bereit, sich mit den „immer noch ungewohnten Klängen auseinanderzusetzen“, sagt Anton. Schönberg sei jetzt ein „Klassiker des 20. Jahrhunderts“.

Der Komponist selbst sagte einmal: „Neue Musik ist niemals von allem Anfang an schön.“ Sein Credo lautete: „Learn to hear“. Das Zuhören müsse gelehrt und gelernt werden, fand er. Der Dresdner Musikwissenschaftler Matthias Herrmann unterstreicht das: „Der Hörer muss sich grundsätzlich darauf einstellen, durch wiederholtes Hören.“

Schönberg stammte aus einem jüdischen Elternhaus und konvertierte zum Protestantismus, bekannte sich aber 1933 wieder zum Judentum. Sein musikalischer Werdegang begann nach eigenen Angaben mit neun Jahren als Violinist und als kompositorischer Autodidakt. Musikalisch beeinflusst wurde er unter anderem von Richard Wagner (1813-1883) und Gustav Mahler (1860-1911).

Er gilt heute als „Vater der Zweiten Wiener Schule“. Die von ihm in den 1920er Jahren entwickelte Zwölftontechnik wurde von seinen Schülern, unter ihnen Alban Berg (1885-1935) und Anton von Webern (1883-1945), enthusiastisch aufgegriffen und fortgeführt.

Die Rezeption der Schönberg-Werke spielt heute nach Einschätzung Herrmanns in den Konzertsälen nur bedingt eine Rolle. Auch Direktorin Anton sagt, sie würde sich mehr Schönberg-Aufführungen wünschen, etwa von dem unvollendeten Bühnenwerk „Moses und Aron“. Relativ viel gespielt werden dagegen die Fassung der „Verklärten Nacht“ für Streichorchester und das Oratorium „Gurre-Lieder“.

Als eines der eindrucksvollsten Schönberg-Werke gilt das Stück für Sprecher, Männerchor und Orchester „Ein Überlebender aus Warschau“ von 1947, das die Erfahrungen eines Mannes im Warschauer Ghetto thematisiert. Herrmann betont die Bedeutung der textgebundenen Werke. So sei etwa die DDR-Erstaufführung von „Moses und Aron“ in der Regie von Harry Kupfer ein überragender Erfolg gewesen.

Schönberg wird als äußerst vielseitig interessierter Mensch beschrieben. Er spielte nicht nur Tennis und liebte den Boxsport, er war auch Maler. Das sei für ihn dasselbe wie Komponieren, wurde er immer wieder zitiert: „Es hat mir die Möglichkeit gegeben, mich auszudrücken, meine Emotionen, Ideen und Gefühle mitzuteilen.“ Mehr als 350 Bilder umfasst sein Schaffen, darunter auch mehrere Selbstporträts.

Als Persönlichkeit sei Schönberg „ein ganz konsequenter Mensch“ gewesen, und „in keiner Weise zu Kompromissen bereit“, erklärt Herrmann. Dies sei wohl auch ein Grund, warum der Vater von fünf Kindern nach seiner Emigration 1933 in die USA als Komponist so schwer habe Fuß fassen können. Darunter habe er sehr gelitten. Nach Europa aber kehrte er nicht zurück. Er starb am 13. Juli 1951 in Los Angeles.