Der Künstler mit der Kamera

Erinnerung an einen Ausnahmefotografen. Viele Jahre für UK tätig

Vincent Böckstiegel – Jahrzehnte lang war der Name ein Gütesiegel für fotografische Meisterleistung, weit über die Region hinaus. Auch bei dieser Zeitung UK. Im gerade abgelaufenen Jahr jährte sich sein Todestag zum 10. Mal; Anlass für Rückschau auf das Werk des Ausnahme-Fotografen, zunächst in einer Ausstellung in Böckstiegels Heimatstadt Werther im Sommer. Nun in einer Rückschau hier, in „seiner“ Zeitung UK.
Geboren 1925 in Dresden, war Vincent Böckstiegel die Kunst quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater, der Maler Peter August Böckstiegel, bekannter Vertreter des Expressionismus, nannte den Sohn Vincent – nach seinem Vorbild Vincent van Gogh.1945 zog die Familie ins großelterliche Haus nach Werther. Vincent arbeitet zunächst als Kameramann, unter anderem für die Wochenschau. Als Fotograf bereiste er dann die Welt für ausgedehnte Reportagen. Zu einem Schwerpunkt entwickelte sich dabei das Heilige Land – eine Leidenschaft, die im UK-Kalender „Botschaft im Bild“ Ausdruck fand. Erst als freier Mitarbeiter, dann als festangestellter Fotograf war der hochgewachsene Mann mit dem Silberschopf viele Jahre für UK tätig.
Böckstiegels Fotos sind Zeugen einer vergangenen Zeit; auch im künstlerischen Sinn. Durchkomponiert. Linien, Blickwinkel, Lichtführung. Haltung, Gesichtsausdruck und Gesten der abgebildeten Personen – nichts wurde dem Zufall überlassen. Alles hatte sich der Bild­idee unterzuordnen. Die Aufnahmen, noch in Schwarz-Weiß, wirken oft wie Gemälde – mit der Kamera als Pinsel. Sie haben so gar nichts mit dem Schnappschuss-Ideal der heutigen Tage zu tun. Auf der anderen Seite wirken derartig klassische Aufnahmen in der Zeit der Digital-, Sofort- und Smartphone-Knipserei beinahe statisch, manchmal fast schon zu ruhig, solide, in sich ruhend.
Allerdings: Betrachtet man jüngste Entwicklungen in Fotografie und Grafikgestaltung, ist eine Art Rückbesinnung zu beobachten. Retro-Design, Vintageoptik. Die alten Ideale werden – zumindest als spielerische Anleihen – wiederentdeckt.
Im Alter von 82 Jahren ist Vincent Böckstiegel gestorben. Langjährige Leserinnen und Leser werden sich vielleicht noch an seine Arbeiten erinnern. Ehemalige Kollegen (Jürgen Kordes und Udo Waschelitz) haben gemeinsam mit Jan Honsel, dem Erbe des fotografischen Nachlasses, begonnen, den künstlerischen Nachlass zu verwalten. Da sind manche Kostbarkeiten aufgetaucht. Eine kleine Auswahl unter dem Motto „Dem Menschen zugewandt“ zeigen wir auf dieser Doppelseite. UK/gmh