Der König, der Führer und eine Kirche

Symbol des Militarismus oder Chance zur Auseinandersetzung mit der Geschichte? Um die Wiedererrichtung der Potsdamer Garnisonkirche ist ein heftiger Streit entbrannt. Er führt auch zu einem Riss durch die evangelische Kirche

Rolf Zoellner

Günther Jauch ist vom Sinn des Projekts überzeugt: 1,5 Millionen Euro hat der schwerreiche Fernsehmoderator („Wer wird Millionär“) für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche gespendet. Aber es gibt auch prominente Kritiker: Die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ wurde von dem Wittenberger Theologen Friedrich Schor-lemmer und der früheren Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin mitbegründet.
Die Garnisonkirche hat eine lange, bewegte Geschichte. Der Barockbau wurde 1730 bis 1735 auf Anordnung des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. („Soldatenkönig“) errichtet. Dieser wurde dort 1740 später bestattet, ebenso sein Sohn Friedrich II. („Der Alte Fritz“)  im Jahr 1786. Die Kirche diente dem Hofstaat, der Garnison und der Zivilgemeinde als Gotteshaus. Johann Sebastian Bach nannte ihre Orgel „ein prächtig Werk“.

Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg

Am 21. März 1933 trat in der Kirche der Reichstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, nachdem das Reichstagsgebäude in Berlin ausgebrannt war. Den Handschlag von Reichskanzler Adolf Hitler mit Reichspräsident Paul von Hindenburg stilisierten die Nazis zum „Tag von Potsdam“ hoch. Für die Gegner des Wiederaufbaus, dessen Finanzierung noch längst nicht gesichert ist, rührt daher der Ruf der Kirche als Inbegriff von Faschismus und Militarismus.
Die evangelische Garnisonkirche wurde 1945 bei einem alliierten Luftangriff auf den Potsdamer Hauptbahnhof zerstört, die Ruine in der DDR 1968 abgerissen. Bis dahin diente ein Raum im Turm weiter als Kapelle. Inzwischen steht dort ein kleiner provisorischer Neubau, der eine Ausstellung beherbergt und für die kirchliche Friedens- und Versöhnungsarbeit genutzt wird.
Bei der Frage nach dem Für und Wider eines Wiederaufbaus geht es nun allerdings drunter und drüber. Eine 1984 in Iserlohn von einem als rechtsextrem eingestuften Oberstleutnant a.D. gegründete „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ ließ zunächst das Geläut wiederherstellen und sammelte seither über sechs Millionen Euro für den Wiederaufbau. Die wurden im Streit mit der evangelischen Kirche über die künftige Nutzung des Baus in einer Stiftung Preußisches Kulturerbe eingefroren.
2004 wurde mit Unterstützung der evangelischen Kirche die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau gegründet. 2008 schließlich, auf den Tag genau 40 Jahre nach ihrer Sprengung, rief der damalige Berliner Bischof Wolfgang Huber die kirchliche Stiftung Garnisonkirche Potsdam ins Leben. Im Ruhestand wirbt Huber weiterhin für den Wiederaufbau, ebenso die früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Manfred Stolpe (beide SPD).
Geplant ist, zunächst einen Stumpf des ursprünglich gut 88 Meter hohen Turms zu errichten und in 57 Meter Höhe eine Aussichtsplattform zu installieren. Danach könnte mit der Barockhaube und der historischen Fassade begonnen werden, das Kirchenschiff soll später folgen. Allein der Turmbau ist mit 38 Millionen Euro kalkuliert. Aus dem Bundeshaushalt sollen dafür zwölf Millionen Euro bereitgestellt werden. Die brandenburgische Landtagsfraktion der Linken, die das Land mitregiert, ist nicht grundsätzlich gegen den Wiederaufbau, sofern dafür keine öffentlichen Mittel fließen.
Die Evangelische Kirche von Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz hat fünf Millionen Euro Kredite für den Wiederaufbau des Kirchturms beschlossen. Die Stadt Potsdam ist zwar für den Wiederaufbau, will sich aber nicht finanziell beteiligen.
Der Grundstein für die neue Garnisonkirche wurde 2005 gelegt, weitere Bauarbeiten sind aber wegen fehlender Finanzierung unterblieben. Start soll nun im Reformationsjubiläumsmonat Oktober 2017 sein.

Neue Kirche als „Schule des Gewissens“

Befürworter des Wiederaufbaus argumentieren unter anderem mit der Bedeutung für das Potsdamer Stadtbild. Der historische „Dreikirchenblick“ habe einst „ein Gefühl fürs Unendliche“ und damit für die Bedeutung von Religion vermittelt, sagt Huber. Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink lobt das Vorhaben als bundesweites Friedens- und Versöhnungsprojekt, das die Militärseelsorge „vorbehaltlos“ unterstütze. Der Wiederaufbau werde „Wunden von Zerstörung und Krieg schließen“.
Ist die Kirche erst einmal fertig, soll sie als offene Stadtkirche, als „Symbolkirche“ sowie als „Schule des Gewissens“ genutzt werden, heißt es von Seiten der Befürworter. Aber braucht es dafür den Wiederaufbau? Der frühere Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, der wegen der Planungen zum Wiederaufbau der Garnisonkirche gar aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ist überzeugt, dass ein Wiederaufbau  des Gebäudes in seiner historischen Gestalt für das im Nutzungskonzept vorgesehene Versöhnungszentrum nicht nötig sei (siehe Artikel unten). Für sinnvoll hält er stattdessen eine ergebnisoffene Suche danach, „was heute eine angemessene bauliche Form für diesen Zweck an diesem Ort“ sein könnte.
Und der frühere Erfurter Propst und SED-Kritiker Heino Falcke  meint, es sei eine „Illusion (…), die Geschichtsmäßigkeit solcher Symbole durch Hinweise auf alternative Details, die es in ihrer Geschichte doch auch gab, brechen oder auch nur umschminken zu können“.