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Der Israelsonntag im Schatten der Gewalt

Im Kirchenjahr geht es um das Verhältnis von Judentum und Christentum. Im Nahost-Konflikts vermischen sich Politik und Religion. Die jüdische Gemeinde aus Bad Segeberg hat daher konkrete Wünsche.

Davidssterne und Friedenstauben bei einem jüdisch-christlichen Laubhüttenfest
Davidssterne und Friedenstauben bei einem jüdisch-christlichen Laubhüttenfestepd-bild/Meike Boeschemeyer

„Wie geht es Ihnen?“ Es gibt viele Gründe, ein Interview mit einem Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde zum Israelsonntag mit dieser Frage zu beginnen. Seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag, an dem die Hamas Israel überfiel und Israel daraufhin den Krieg in Gaza begann, mehren sich in Deutschland antisemitische Vorfälle.

Walter Blender, seit 2002 Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bad Segeberg und Mitbegründer des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, antwortet: „Uns in den jüdischen Gemeinden geht es gut, nach dem Iran-Krieg hat sich die Lage wieder ein wenig beruhigt.“ Schwierig sei es jedoch, Aktivitäten hochzuhalten. Immer wieder komme etwas dazu: „Corona, Halle, 7.-Oktober-Hamas-Überfall, Irankrieg. „Es scheint, als wenn es nie enden würde.“

Politik könnte die Religion verdrängen

Am 10. Sonntag nach Trinitatis geht es um das Verhältnis von Judentum und Christentum im Kirchenjahr. Über diesem liegt der lange Schatten der Vergangenheit. „Im 19. Jahrhundert und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wurde an diesem Sonntag für die ‚Bekehrung der Juden‘ gebetet, erklärt Ursula Rudnick, Referentin für Kirche und Judentum in Hannover. „Ursprünglich ist mit diesem Sonntag eine antijüdische Geschichte verbunden.“ Erst das Erschrecken über die Schoah, den Holocaust, habe zum Nachdenken geführt – und zu der Frage, welchen Anteil christliche Theologie am Genozid der Juden in Europa hatten.

Dieser Tag sei „eine gute Idee“, sagt Walter Blender. „Aber der Fokus sollte auch auf Israel bleiben und damit das jüdische Volk und dessen religiöse Heimat meinen.“ Denn: „Politik hineinzubringen ist nicht ungefährlich. Sie könnte die Religion verdrängen.“

Erst der Gottesdienst, dann die Diskussion

Im Gegensatz zu den Gottesdiensten in christlichen Kirchen, in denen auf den Kanzeln manchmal Position bezogen wird, sei der jüdische Gottesdienst nicht politisch, erzählt er. „Unabhängig vom liberalen oder orthodoxen Ritus ist er sehr religiös geprägt.“ Jedoch gebe es im Anschluss manchmal Diskussionen über die Politik. „Vor allem natürlich im Nahen Osten.“

Was er sich von den christlichen Gemeinden wünscht? „Wir wünschen uns von den Kirchen, dass sie weiterhin zu ihren jüdischen Gemeinden und somit Brüdern und Schwestern halten.“
Beten würde Walter Blender übrigens am Sonntag, dass „das jüdische Volk, unser Volk, endlich seine verdiente Ruhe und seinen Frieden findet; in Israel und in den jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt. Wir würden beten, dass uns niemand überfällt und bekriegt.“