“Erst ein Kaffee. Die Welt retten wir später”, soll jemand mal gesagt haben. Also lud der Herder-Verlag zum 225-jährigen Bestehen vier illustre Gäste in ein Münchner Cafehaus zum Plaudern ein. Ein anregender Abend.
Im Münchner Cafe Luitpold wird die Salonkultur noch in Ehren gehalten. “Kultur genießen” lautet das Motto, unter dem dort regelmäßig Konzerte, Lesungen und Diskussionen stattfinden. Im März stellte Erzbischof Georg Gänswein sein bei Herder erschienenes Werk “Nichts als die Wahrheit” vor. Nun kehrte der Freiburger Verlag zurück, um ein Jubiläum zu begehen. Denn vor 225 Jahre brachte Herder 1798 sein erstes Buch heraus. Bis heute biete man zu Lebensthemen “Inspiration, Orientierung und Fachkompetenz”, wie das Haus von sich sagt – analog und inzwischen auch digital.
Zur Münchner Feier hatte sich Geschäftsführer und Cheflektor Simon Biallowons illustre Gäste eingeladen: Claudia Paganini, Philosophin für Medienethik, den Unternehmer und Podcast-Host Karl-Theodor zu Guttenberg, den Theologen und Chef des katholischen Osteuropahilfswerks Renovabis Thomas Schwartz sowie Christian Stückl, den Theaterintendanten und viermaligen Leiter der Passionsspiele von Oberammergau. Um Zukunftsperspektiven sollte es gehen angesichts andauernder Krisen. Kurzum: ein Gespräch über Gott und die Welt.
“Was kommt. Was geht. Was bleibt.”, hat Verleger Manuel Herder den Jubiläumsband mit Beiträgen prominenter Zeitgenossen überschrieben. So war die erste Frage an die Gäste, worüber sie sich freuten, dass es nicht mehr vorhanden sei. Guttenberg traute sich gleich in die Vollen zu gehen. Er äußerte Zufriedenheit darüber, dass Abhängigkeiten, in denen sich Deutschland in Bezug auf Sicherheit, Energie und Handel eingerichtet gehabt habe, fort seien. Nun gelte es, kreativ zu werden.
Schwartz, der zuletzt der Weltsynode der katholischen Kirche in Rom beiwohnte, zeigte sich froh, dass man nicht mehr gezwungen sei, glauben zu müssen: “Dass man frei ist, glauben zu können oder auch nicht glauben zu können. Das ist etwas, was für die Zukunft jeder Religion einen unglaublichen Raum der Menschlichkeit öffnen wird.” Paganini verwies darauf, dem Kabeltelefon nicht nachzutrauern.
Nachdenklicher gab sich Stückl. Durch die Hintertür kehrten Sachen oft wieder. Als Beispiel führte er das Oberammergauer Passionsspiel an: “Wir arbeiten seit 40 Jahren gegen den Antisemitismus. Aber der Antisemitismus kommt wieder.”
Die Welt ist im Wandel, manches bleibt bestehen. Worüber gibt’s in dieser Hinsicht Freude? Die Fähigkeit zur Intelligenz sei dem Menschen geblieben, so Guttenberg. Diese solle man sich nicht nehmen lassen, gerade nun, da einen eine neue Form der Intelligenz einzuholen drohe. Damit sei die Chance verbunden, sich zu überprüfen, zu was man in der Lage sei. Paganini führte an, der Mensch bedürfe seines Nächsten. “Wir sind auf das Du angewiesen. Das gibt Raum für Kooperation und Begegnung.” Stückl gab zu, froh zu sein, seine Mutter noch zu haben. “Darüber freue ich mich im Blick auf meine auch”, pflichtete Schwartz bei.
Der Theologe verwies auf die Sehnsucht des Menschen nach Glücklichsein, was nicht immer gelinge. “Ich habe eine Dissertation über das Scheitern geschrieben”, sagte Paganini. Worauf Guttenberg selbstironisch meinte: “Ich bin an einer Dissertation gescheitert.” 2011 war er des Plagiats überführt worden und hatte daraufhin sein Amt als Verteidigungsminister niedergelegt. Die Philosophin betonte, Scheitern sei ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Handelns und des Fortschritts. Guttenberg bedauerte, dass in Deutschland Schadenfreude überwiege, wenn jemand scheitere. In den USA sei dies anders. “Da freut man sich auch am Aufstehen des Anderen.”
Und wie ist das mit Jesus? Viermal habe er die Passionsspiele gemacht, sagte Stückl. Mal sei Jesus lauter, mal leiser gewesen. Diese Figur interessiere ihn wohl deshalb so stark, weil sie die Welt radikal verändern wolle. Doch Jesus werde ausgelacht und bespuckt. Es funktioniere nicht. Letztlich scheitere er kläglich am Kreuz. Wie das mit der Auferstehung sei, wisse er nicht so recht. “Das können wir glauben, das müssen wir nicht mehr glauben”, sagte Stückl an Schwarz gerichtet. “Wir werden schon sehen”, gab der auf die Hoffnung setzende Geistliche zurück.