„Der ganze Genderdreck“

Der Bremer Pastor Olaf Latzel spaltet Kirche und Gesellschaft. Das Amtsgericht hat ihn wegen Volksverhetzung verurteilt, Anhänger feiern ihn als bibeltreuen Christen. Nun muss sich der Theologe in einer Berufung erneut verantworten.

Olaf Latzel in seiner Bremer Wohnung (Archivbild)
Olaf Latzel in seiner Bremer Wohnung (Archivbild)Alasdair Jardine / epd

Bremen. Es hat lange gedauert, aber nun startet das Berufungsverfahren: Vor dem Landgericht in Bremen wird ab Montag, 9. Mai, der Fall des Bremer Pastors Olaf Latzel verhandelt, der im November 2020 vom Amtsgericht in der Hansestadt wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist. An insgesamt vier Tagen geht es erneut um die Frage, ob der evangelische Theologe in einem auf Youtube verbreiteten „Eheseminar“ zum Hass gegen Homosexuelle angestachelt hat oder nicht.

Nach dem Rückzug eines Gutachters habe die weitere Abstimmung Zeit gebraucht, begründet ein Gerichtssprecher die lange Frist zwischen dem Urteil des Amtsgerichtes und der nun anberaumten Berufung. Schließlich sei es „nicht ganz einfach, vier gemeinsame Termine mit allen Beteiligten innerhalb der Fortsetzungsfristen zu finden“.

„Biblische Fahrschule zur Ehe“

Im November 2020 hat Amtsgerichts-Richterin Ellen Best gegen den heute 54-jährigen Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt – umgewandelt zu einer Geldstrafe von 8100 Euro. Der streng konservative Pastor habe sich im Oktober 2019 in einer „biblischen Fahrschule zur  Ehe“ in homophober Weise vor 30 Paaren geäußert, begründete sie ihre Entscheidung. Eine Aufnahme davon wurde im März mit seiner Einwilligung auf seinem Youtube-Kanal mit damals knapp 25.000 Abonnenten online gestellt.

Mit nackten Brüsten in Regenbogenfarben protestiert diese Frau gegen Pastor Latzel
Mit nackten Brüsten in Regenbogenfarben protestiert diese Frau gegen Pastor LatzelDieter Sell / epd

Im Verlauf des Seminars sagte Latzel unter anderem, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“. Er warnte vor einer „Homolobby“: „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“ Das verunsichere Leute, zerstöre Zivilisation und Kultur. Homosexualität sei vor Gott todeswürdig und ein Gräuel.

Gemeinde steht hinter Latzel

Die Emotionen schlagen in dem Fall hoch und spalten die Kirche. Trotz dieser Äußerungen steht die St.-Martini-Gemeinde uneingeschränkt hinter ihrem Pastor und feiert ihn als bibeltreuen Christen. Kirchenvorsteher Jürgen Fischer bittet im aktuellen Gemeindebrief darum, für einen Freispruch zu beten. Dagegen haben Latzel-Gegner die historische St.-Martini-Kirche in der Vergangenheit immer wieder beschmiert, das Auto des Pastors zerkratzt und ihn auch persönlich bedroht.

Latzel-Befürworter wiederum verunglimpften die Kirchenleitung mit hasserfüllten Mails. Verteidiger Sascha Böttner bezeichnete das Urteil als „Katastrophe“ und als „Einfallstor zur Beschränkung der Meinungsfreiheit“ und legte Berufung ein. Er kritisierte insbesondere, das Gericht habe niemanden aus dem Eheseminar als Zeugen geladen.

Dieser Mann macht seine Unterstützung für Latzel mit einem T-Shirt deutlich
Dieser Mann macht seine Unterstützung für Latzel mit einem T-Shirt deutlichTristan Vankann / epd

Das soll nun geschehen. Gleich am ersten Prozesstag will das Gericht mit zwei Zeugen aus dem Eheseminar in die Beweisaufnahme eintreten. Am 20. Mai soll das Urteil gesprochen werden. Das öffentliche Interesse an dem Verfahren ist wie schon im November 2020 groß. Der Verhandlungssaal werde bis auf den letzten Platz belegt sein, vermutet der Gerichtssprecher.


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Die Kirchenleitung hat ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor eingeleitet, das aber bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt ist. Zwischenzeitlich wurde Latzel vorläufig vom Dienst enthoben, darf aber seit längerem wieder arbeiten. Zu dem neuerlichen Verfahren wollte sich die Kirche im Vorfeld nicht äußern. (epd)