Der Exot mit dem Faible für Papier

Der Bastelkreis einer Kirchengemeinde in Schwerin hat einen Exoten in seinen Reihen. Ali Qasemi bastelt Dekoratives – als einziger Mann unter Frauen.

Ali Qasemi macht beim Bastelkreis in Schwerin mit
Ali Qasemi macht beim Bastelkreis in Schwerin mitAnne-Dorle Hoffgaard /epd

Schwerin. Papierarbeiten helfen dem gelernten Edelsteinschleifer Ali Qasemi, die Zeit im Asylheim totzuschlagen. Und einmal pro Woche hilft dem 32-jährigen Asylbewerber aus Afghanistan sein Faible für Papier, Leute außerhalb des Heims zu treffen, mit ihnen zu reden und sich in einer Gruppe aufgenommen zu fühlen. Dann nämlich fährt der junge Mann von Ludwigslust nach Schwerin, um im Bastelkreis der evangelischen Schelfkirchengemeinde aus Papier Blüten, Origami-Figuren, Serviettenringe, Sterne und andere Dekorationsartikel für den Osterbasar der Kirchengemeinde zu fertigen.
Dass Ali Qasemi im Bastelkreis in mehrfacher Hinsicht ein Exot ist, stört ihn dabei nicht: Immerhin ist er der einzige Mann unter etwa 15 Frauen, noch dazu der einzige Muslim, und mit seinen 32 Jahren ist er mit Abstand der Jüngste in der Runde. "Jede Freude tut ihm gut", sagt Annemarie Steinat, die in der Gemeinde Reinigungs-, Küster- und Bürodienste macht und sich ebenfalls im Bastelkreis engagiert. "Alle mögen ihn."

Bemühung um eigene Wohnung

Die Anhänglichkeit des jungen, freundlich und zurückhaltend wirkenden Mannes an diese Schweriner Kirchengemeinde kommt nicht von ungefähr. Denn nach einem Suizidversuch mit anschließendem dreieinhalbmonatigen Aufenthalt in der Psychiatrie bot ihm die Schelfgemeinde von November 2014 bis Juli 2015 Kirchenasyl. Und immer noch unterstützen ihn Gemeindemitglieder bei bürokratischen Dingen oder bei Arzt- und Anwaltsbesuchen.
So bemühen sich die Ehrenamtler derzeit darum, dass der unter einer Depression leidende Asylbewerber aus dem Drei-Mann-Zimmer im Asylheim in eine eigene Wohnung ziehen und ein Praktikum machen kann. Und sie versuchten, ihm "das Leben zu erleichtern während seines sich endlos hinziehenden Asylverfahrens", sagt eine Helferin. All das könne jedoch nicht ausgleichen, "was in vielen Jahren erzwungener Untätigkeit, Hoffnungslosigkeit und gefühlter Minderwertigkeit durch die schwierigen Lebensumstände" und vor allem wegen der unsicheren Zukunft kaputt gehe.
Immerhin begann Ali Qasemis Flucht aus seiner afghanischen Heimatstadt Kandahar bereits vor über sieben Jahren, im Oktober 2008. Über Norwegen floh er vor fast zwei Jahren nach Deutschland. In Afghanistan sei es für ihn gefährlich gewesen, sagt der junge Mann. Ein Onkel und ein älterer Bruder seien von den Taliban ermordet worden.

Glaube und Nationalität? Unwichtig!

Dass ihm in Deutschland insbesondere Christen helfen, sei ganz normal für ihn, sagt der 32 Jahre alte Muslim. Es gebe gute und schlechte Menschen. Glaube und Nationalität seien da unwichtig. Für ihn sei es viel schlimmer, dass sich seine Glaubensbrüder gegenseitig umbringen.
Und so scheint es auch nicht verwunderlich, dass Ali Qasemi aus dünnem Papier auch eine maßstabsgetreue Nachbildung der über 300 Jahre alten barocken Schweriner Schelfkirche St. Nikolai anfertigte. Oder dass er wie selbstverständlich schöne Dinge bastelt für den Osterbasar der Kirchengemeinde. Dieser Basar findet an diesem Sonntag, 20. März, um 11 Uhr nach dem Gottesdienst statt und soll Geld einbringen für eine Schule in Syrien. (epd)