Steigende Energiekosten, Inflation, Klimakrise, sichere Renten – all diese Themen tangieren Jung und Alt zugleich. Dennoch bilden über 60-Jährige eine graue Macht. Warum dennoch kein Generationenkampf an der Wahlurne droht.
Alte Menschen, die es sich gut gehen lassen, auf Kreuzfahrt gehen und sich nicht um die Sorgen der Jungen kümmern – ein in der ZDF-Doku “Die Wahrheit über unsere Rente” befragtes Seniorenpaar scheint das Klischee über die ältere Generation zu bestätigen. Auf der anderen Seite sind da junge Menschen, die verzweifelt und wütend sind über fehlende Zukunftsperspektiven und untätige Politiker, auch angesichts des fortschreitenden Klimawandels. Droht nun ein Kampf der Generationen an der Wahlurne? Schließlich sind knapp 40 Prozent der heute Wahlberechtigten 60 Jahre und älter. Wie so oft hilft ein differenzierterer Blick.
Die Gruppe der älteren Wähler bilde “durchaus einen erheblichen Teil der Wahlberechtigten in Deutschland ab”, sagt Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek. Für einen “Generationenkampf” sehe er in regelmäßigen Repräsentativbefragungen dennoch keine Anzeichen. Auch bei den wichtigsten Zukunftssorgen fänden sich in den meisten Bereichen eher geringfügige Differenzen zwischen den Generationen. So werde die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme und die Sicherung der Rente nicht nur von den Jüngeren, sondern auch von der Älteren mehrheitlich als Problem benannt, um das sich die Politik kümmern müsse. Nur eine Minderheit in allen Altersgruppen sehe stärkere Konflikte zwischen beiden Gruppen.
Deshalb sollten Volksparteien keinen “Zielgruppenwahlkampf” nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe betreiben, sagt Matuschek. Vielmehr gelte es, Vorschläge anzubieten, die möglichst viele unterschiedliche gesellschaftliche Schichten ansprechen.
Ein Gegeneinander zwischen den Generationen sieht auch Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso), nicht. “Ältere sind zahlreicher als früher, aber ihre Lebenslagen und Interessen sind alles andere als einheitlich. Nicht alle mögen Fernreisen oder können sie sich leisten. Auch ihr Wahlverhalten ist vielfältig und bei weitem nicht nur von Seniorenthemen bestimmt”, erklärt Görner.
“Die Anzahl der gut betuchten Senioren wird leicht überschätzt, während diejenigen, die von Altersarmut bedroht sind, häufig unsichtbar bleiben.” Das belege auch der Anfang Januar veröffentlichte 9. Altersbericht der Bundesregierung. Was allerdings sehr viele von ihnen verbinde, sei die Sorge, dass es den nachfolgenden Generationen, den Kindern und Enkeln gut geht. “Deshalb läuft Klimaschutz nicht gegen die Alten, sondern mit ihnen”, sagt Görner und verweist auf das 2021 veröffentlichte Bagso-Positionspapier “Generationenaufgabe Klimaschutz – für die Welt von morgen”.
Auch in anderen Bereichen – etwa dem Arbeitsmarkt – gibt es aus ihrer Sicht keinen Konflikt der Generationen. Als DGB-Gewerkschafterin habe sie viele Jahre die Interessen der jungen Beschäftigten vertreten. “In unendlich vielen Einzelfällen haben Ältere auf Einkommenszuwächse verzichtet, damit Jüngere übernommen werden oder in Ausbildung kommen. Wenn ich etwas nicht gesehen habe, dann ist es der Kampf der Generationen.”
“Junge Menschen werden systematisch ignoriert, und auch im Alltag wären wir deutlich weiter, würden alle Menschen die Interessen junger Menschen ausreichend im Blick haben”, hält Frieda Egeling dagegen, die Sprecherin von Fridays for Future. Die 15-jährige Berlinerin fordert, dass die Politik Verantwortung für die Zukunft des ganzen Landes übernehmen sollte.
Beim Bestreben um mehr Klimaschutz sieht sie indes keinen großen Unterschied zwischen den Generationen. 80 Prozent der Menschen wünschten sich diesen über alle demokratischen Parteien hinweg – “die Politik ignoriert hier also die Bedürfnisse einer überwältigenden Mehrheit”. Es sei an der neuen Bundesregierung, entsprechend zu handeln.
Nach wie vor gingen junge Menschen auf der ganzen Welt auf die Straße, die sich Sorgen um ihr Leben machten und für ihre Zukunft kämpften. “Wir, die oft noch nicht mal wählen dürfen, nutzen so jede Chance, die wir haben, um politisch gehört zu werden. Wir bleiben laut, denn wir haben ein Recht auf unsere Zukunft!”, gibt sich Egeling kämpferisch.
Die Klimakrise betreffe die Menschen schon jetzt und sei keine Frage des Alters, sondern “ob man die Realität anerkennt oder nicht”, stellt die Gymnasiastin klar. Sie findet: “Die Menschen sollten an der Wahlurne nicht darüber entscheiden müssen – Klimaschutz: Ja oder Nein.” Vielmehr sollten sie sich “für den besten Plan gegen die Klimakrise entscheiden können”. Hier seien alle Parteien gefordert, Antworten zu liefern.
“Noch nie hat es einen Bundestag gegeben, der so jung war wie heute”, erklärt die Bagso-Vorsitzende Görner mit Blick auf die Möglichkeit aktiver Teilhabe in der Politik. Ohnehin sieht sie Jung und Alt in einem Boot. “Für Ältere ist die Frage immer wichtiger: Welche Welt hinterlasse ich?” Gerade Ältere hätten ein große Sensibilität für die Interessen jüngerer Menschen und seien auch zu Verzicht bereit, “wenn sie wissen, den Jüngeren geht es dadurch besser”.
So unterstützten Großeltern ihre Enkel in hohem Maße und hätten auch das Wohl ihrer ganzen Generation im Blick. “Sie haben eine ganz hohe Bereitschaft, sich mit den Lebensbedingungen der Jüngeren auseinanderzusetzen.” Denn: “Je älter man wird, desto mehr beschäftigt man sich mit den großen Fragen des Lebens.”