Der britische Stararchitekt John Pawson wird 75 Jahre alt

Der britische Stararchitekt John Pawson ist stets eigene Wege gegangen. Nicht mal zeichnen kann er. Sein Genie bezieht er aus seiner besonderen Spiritualität. Trappistenmönche aus Böhmen sind seine Verbündeten geworden.

“Gott ist Licht”, schrieb einst Ordensgründer Bernhard von Clairvaux: “Die Seele muss das Licht suchen, indem sie ihm folgt.” Licht als zentraler Bestandteil des Raums: Diesem geistigen und ästhetischen Grundsatz der Zisterzienser folgt auch der britische Architekt John Pawson, der am Montag (6. Mai) 75 Jahre alt wird.

Bekannt geworden ist er mit der Innenausstattung der Calvin-Klein-Stores an der New Yorker Fifth Avenue, in Tokio, Seoul und Paris. Er entwarf Designereinrichtungen für einen der Flughäfen Hongkongs, arbeitete Jahre in Japan und ließ sich mit seinem gut gehenden Architekturbüro in London nieder. Bis eines Tages ein Mönch an ihn herantrat, der seine genial schlichten Arbeiten in einer Modezeitschrift entdeckt hatte.

Ein neues Kloster in einem böhmischen Dorf, tief in der Provinz der entkirchlichten Tschechischen Republik, sollte er bauen. Zwischen 1999 und 2004 schuf Pawson die Trappistenabtei in Novy Dvur. Es wurde auch eine tiefe Freundschaft daraus – und ein “Lebenswerk”, wie er selbst meint. Auch den Menschen Pawson hat das Projekt verändert.

Bevor er den Auftrag annahm, lebte er für eine Woche das Leben der Mönche – eine Erfahrung, die bei ihm große Bewunderung hervorrief. Und als er 2001 in Indien einen Verkehrsunfall fast unverletzt überstand, aber ein Freund neben ihm ums Leben kam, suchte und fand er Rückhalt bei den Trappisten.

Ein weiteres Indiz, wieviel dem sonst hoch dotierten Künstler das Projekt bedeutete, war das “gentlemens’ agreement” bei seinem Salär: Die Mönche, die nur vom Verkauf von Marmelade und Öko-Produkten leben, bezahlten Pawson, was sie konnten. Er gab ihnen dafür die Spiritualität seiner Architektur – “dankbar, dass sie mir eine so einmalige Gelegenheit geschenkt haben”.

Seitdem hat der Meister der Klarheit mehrere sakrale Bauten in Angriff genommen: etwa die Umgestaltung der Benediktinerkirche von Pannonhalma, des wohl wichtigsten Klosters Ungarns, oder die Umgestaltung der Augsburger Moritzkirche. Pawsons Ziel: den mittelalterlichen Bau entschlacken, “reduzieren auf das, was schon da ist”. Ballast abwerfen, eine Stimmung erzeugen, die Gebet, Trost, Sammlung ermöglicht: all das, was Menschen vom Besuch einer Kirche erhoffen.

Ballast abwerfen, das ist ein Thema von Pawsons Leben. Eigentlich sollte er den väterlichen Textilbetrieb übernehmen. Doch er brach die Schule ab und unternahm längere Reisen durch die Welt, auf denen sein Interesse am Buddhismus erwachte; für ihn bis heute eine wichtige Quelle der Inspiration, ebenso wie die japanische Kultur – und die Architektur der Zisterzienser.

Der gute Draht der Mönche von Novy Dvur zu Pawsons Werken kam nicht von ungefähr. Aufgewachsen nahe den beeindruckenden Klosterruinen von Fountains Abbey, war Pawson später immer wieder zum Zisterzienserkloster von Le Thoronet in der Provence gepilgert – einem “Mekka der Schlichtheit”.

So waren umgekehrt auch die Zisterzienser fasziniert von Pawsons Calvin-Klein-Entwurf. Die Strenge und die Führung des Lichts entsprachen der jahrhundertealten Bautradition des Ordens: Reinheit, Erhabenheit und Verzicht auf jeglichen Schmuck. Von der “Kunst des Weglassens” sprechen Architekturkritiker. Mittelalterliche Bautraditionen mit Moderne zu verbinden, ziert Kirche wie Künstler gleichermaßen. Wo die internationale Architektur den Schock des Bauhauses nie überwunden hat, nimmt Pawson das Beste aus beiden Welten.

Bänder aus indirektem Licht, die an beiden Seiten von Mittelschiff und Chor entlanglaufen, lenken die Aufmerksamkeit nach vorn auf Apsis und Altar – eine meisterhafte Regie. Die Reduzierung der Materialien macht deutlich: Nicht im Vielen findet der Mensch seine Freiheit, sondern im Schauen auf das Wesentliche. Das gilt auch dort, wo Pawson, wie vor einigen Jahren, das Interieur eines Luxuskaufhauses gestaltet; des Oberpollinger in München.

Die klare und symmetrische Ausrichtung des Raumes entspreche, so Pawson, dem Bedürfnis des Menschen nach innerer Ausrichtung auf ein Ziel hin. “Ich bin nicht interessiert daran, meine eigene Markierung zu hinterlassen”, sagte er über das Projekt Moritzkirche: “Aber ich hoffe, dass die Leute hereinkommen und sagen: ‘Wow, das fühlt sich gut an.'”