Der berühmte Unbekannte
Die beiden Katzen sitzen hoheitsvoll auf Podesten und blicken ihre Betrachter aufmerksam an. Eine zeigt ihre spitzen Zähne. Vielleicht, um das seltsame Objekt zu verteidigen, das zwischen den Tieren auf einem Sockel liegt und einem riesigen, roten Apfel gleicht? Das rätselhafte Bild hätte Goller zu internationalem Ruhm verhelfen können, wurde es doch von einem New Yorker Galeristen erworben. Doch der Maler kaufte es nach einigen Wochen zum anderthalbfachen Preis zurück, weil er sich nicht davon trennen wollte. So wurde es nichts mit seiner internationalen Karriere.
„Bruno Goller ist der berühmte Unbekannte im Rheinland“, sagt Stephan Berg, Direktor des Bonner Kunstmuseums. Goller ist ein Maler, der zu Lebzeiten geschätzt wurde und für seine Gemälde mitunter sechsstellige Kaufpreise erzielte – wenn er sie denn verkaufte. „Er hatte Trennungsängste, wenn es um seine Bilder ging“, erklärt Christoph Schreier, Kurator der Ausstellung „Bruno Goller. Retrospektive 1922-1998“, die von Donnerstag bis zum 19. Januar zu sehen ist. Wenn Kauf-Interessenten in seinem Atelier anfragten, habe er sich sogar gelegentlich verleugnen lassen.
Das Kunstmuseum Bonn würdigt den Maler, dessen Werk nach seinem Tod zunehmend in Vergessenheit geriet, nun mit einer Rückschau. Zu sehen sind insgesamt knapp 100 Arbeiten, darunter 73 Gemälde sowie rund 20 Zeichnungen. Erstmals seit mehr als 20 Jahren wird damit das Werk des Düsseldorfer Künstlers in einer umfangreichen Einzelausstellung präsentiert.
Goller gilt als Ausnahmeposition der deutschen und internationalen Kunst des 20. Jahrhunderts. Seine Malerei blieb entgegen zeitgenössischer Tendenzen stets gegenständlich. Trotz oberflächlicher Bezüge zu künstlerischen Strömungen wie etwa Neuer Sachlichkeit oder Pittura metafisica schloss er sich nie einer künstlerischen Bewegung an. Wenn er überhaupt in die Nähe einer Stilrichtung zu rücken sei, dann am ehesten zum Surrealismus, sagt Schreier.
Gollers malerische Handschrift zeichnet sich dadurch aus, dass er Gegenstände aus ihrem alltäglichen Umfeld und ihrer Funktionalität herauslöste, um sie mit neuer Bedeutung aufzuladen. Da porträtiert Goller einen rot-braunen Sessel, der so wirkt, als sei er wie ein Lebewesen in Bewegung. Das Möbelstück scheint zu verkörpern, was der surrealistische Dichter André Breton als die „konvulsivische Schönheit der Dinge“ bezeichnete.
Die chronologisch aufgebaute Ausstellung dokumentiert, dass sich bestimmte Motive wie ein roter Faden durch Gollers Werk ziehen. Eine große Inspirationsquelle waren für ihn die Kindheitserinnerungen an den Hutmacherladen der Mutter. Typische Motive sind etwa weibliche Bildnisse, die an Schaufensterpuppen erinnern, ebenso wie Hüte, Schleifen oder auf dem Bügel hängende Kleidungsstücke. Auch die bevorzugten erdigen Rot-Braun- oder Grautöne dominieren bereits seine frühen Werke aus den 1930er Jahren. Allerdings sind die Farben insgesamt noch recht dunkel und gedeckt. Ab den 1950er Jahre werden die Bilder leuchtender.
„Goller baut sich über den Zeitraum seines 70-jährigen Schaffens aus seinen Motiven eine eigene Welt“, erklärt Schreier. Männer tauchen darin selten auf. Meist deuten lediglich Accessoires wie Jacketts oder Hüte auf ihre Existenz hin. Gollers Frauen erinnern häufig an antike Statuen oder christliche Bildnisse. Da sind etwa die beiden Frauen auf dem Gemälde von 1953, deren lange Gewänder an die Darstellung von Heiligen erinnern. Getrennt sind sie durch einen ornamentalen Streifen, dessen Rautenmuster an kirchliche Bodenmosaike erinnern. Das Bild löst Assoziationen an die Darstellung biblischer Ereignisse aus – etwa die Verkündigungsszene mit dem Erzengel Gabriel und Maria. Doch letztlich bleiben Gollers Bilder stets rätselhaft.
Goller wurde in Gummersbach geboren und lebte ab 1927 bis zu seinem Tod in Düsseldorf. Dort war er Mitglied der Künstlergruppe Das Junge Rheinland und 1928 Mitbegründer der Rheinischen Sezession. Während der Zeit des Nationalsozialismus versteckte Goller seine Bilder und zog sich zurück. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er eingezogen und malte in den Kriegsjahren kaum. Ab 1949 verdiente Goller seinen Lebensunterhalt unter anderem als Lehrbeauftragter und von 1953 bis 1964 als Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. 1959 nahm er an der documenta II in Kassel teil. Er malte bis ins hohe Alter.