Nachrichten aus Gaza und der Ukraine bestimmen die Schlagzeilen. Über viele Krisen wird indes kaum berichtet. Dieser Trend könne sich noch verstärken, warnt ein Experte – und erläutert die Mechanismen dahinter.
Vergeben Länder wie Deutschland künftig mehr Hilfsgelder nach sicherheitspolitischer Relevanz für Europa, führt das nach Einschätzung von Ralf Südhoff zu neuen vergessenen Krisen. Der Leiter der Denkfabrik Centre for Humanitarian Action mit Sitz in Berlin sagte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Wir sehen eine Trendumkehr, die uns große Sorge macht.”
Ohnehin gebe es meist nur für eine bis maximal zwei Krisen öffentliche Aufmerksamkeit. Für die Auswahl gibt es laut Südhoff verschiedene Kriterien – wie räumliche Nähe. Mehr Aufmerksamkeit gebe es auch, wenn Urlaubsregionen betroffen seien oder es sich um Naturkatastrophen handele. “Konflikte vermitteln derweil häufig medial den Eindruck: Sie lassen sich schwer durchschauen, man weiß nicht, wer die Guten, wer die Bösen sind und ob Hilfe überhaupt ankommt.”
Darunter litten Betroffene anderer Krisen, was überdies zu einem Zielkonflikt für Hilfsorganisationen führe. “Politisch werben sie für vergessene Krisen, während sie im Bereich Spendenwerbung viel größere Chancen haben, für bekannte Krisen zu werben.”
So erhielt in den vergangenen Jahren die Ukraine große Medienaufmerksamkeit und große finanzielle Unterstützung. Die Folgen: Programme in der Ukraine wurden laut Südhoff viel besser abgedeckt als beispielsweise in afrikanischen Ländern. Für 2025 seien von öffentlicher Seite für die Ukraine schon 36 Prozent der notwendigen Mittel eingegangen, für den Krisenstaat Haiti dagegen nur neun Prozent.