Dem Tod zweimal entkommen

Shaul Ladany war acht, als er ins KZ Bergen-Belsen verschleppt wurde. Mit 36 nahm er an den Olympischen Spielen in München teil und entkam dem Terroranschlag auf die israelischen Sportler. Eine Ausstellung zeigt jetzt seine Erinnerungsstücke.

Bergen-Belsen (epd). Für Shaul Ladany wird es ein sehr emotionaler Moment sein. Wie jedes Mal, wenn der heute 83-Jährige nach Bergen-Belsen zurückkehrt. "Es ist für mich immer schwer, dort zu sein", sagt er. Doch der Anlass ist für ihn ein besonderer. Am 5. September eröffnet die Gedenkstätte bei Celle die Ausstellung "Lebensläufe". Anhand von Erinnerungsstücken des jüdischen Wissenschaftlers und Sportlers aus Israel erzählt sie von der Verfolgung von Menschen, die wie Ladany in das Konzentrationslager verschleppt wurden – und von seinem Überleben.

Ladany überlebte gleich zweimal: 1944 entkam er dem KZ. 1972 blieb er verschont, als bei den Olympischen Spielen in München palästinensische Terroristen Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln festhielten und elf seiner Teamkollegen ermordeten. Ihm sei wichtig, das Gedenken zu bewahren, sagt er. Dafür stünden unter anderem Bilder vom KZ Bergen-Belsen mit seinen Baracken, die ein Mithäftling und Künstler seinem Vater gegeben habe. Die Widmung in Großbuchstaben laute: "Damit du Bergen-Belsen nicht vergisst und uns nicht."

Sammlungen sind ein großer Schatz

Seit seinem 13. Lebensjahr sammelt Ladany originale Dokumente aus dem Konzentrationslager. Auch zum Attentat von München hat er zusammengetragen, was er bekommen konnte. In Omer im Süden von Israel bewahrt er eine Privatsammlung, die nach Angaben der Gedenkstätte Bergen-Belsen die in Qualität und Umfang einzige ihrer Art ist, die ein Überlebender des KZ angelegt hat.

Für Gedenkstätten seien solche Sammlungen ein großer Schatz, sagt der Leiter der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Jens-Christian Wagner. Es sei sehr wahrscheinlich, dass eines Tages auch Objekte oder Dokumente von Ladany in die Dauerausstellung in Bergen-Belsen eingingen.

Für die als Wanderausstellung konzipierte Schau "Lebensläufe" haben Mitarbeiter der Gedenkstätte aber zunächst Reproduktionen unter anderem von Fotos, Dokumenten, Postkarten und Zeichnungen gemacht. In sechs Kapiteln informieren Tafeln anhand der Biografie von Shaul Ladany und weiterer Überlebender unter anderem über die Situation in Ungarn und Serbien im Zweiten Weltkrieg und die sogenannte Kasztner-Gruppe, wie Tessa Bouwman von der Gedenkstätte erläutert. Geschildert werden auch die Auswanderung der Juden nach Israel und die Olympischen Spiele in München.

"Ich erinnere jeden Tag dieser sechs Monate"

Ladany war erst acht Jahre als, als er 1944 mit seiner Familie aus Ungarn in das KZ deportiert wurde, in dem insgesamt mehr als 52.000 KZ-Häftlinge ums Leben kamen. Mit seinen Eltern und seinen Schwestern gehörte er zu den wenigen jüdischen Insassen, die aufgrund von Verhandlungen des Journalisten Rudolf Kasztner und jüdischer Organisationen mit der SS gegen Geldzahlungen schließlich im Dezember 1944 in die Schweiz ausreisen durften. Mehr als 50 seiner Angehörigen überlebten den NS-Terror nicht.

Obwohl er damals noch ein Kind war, ist Bergen-Belsen für Ladany noch präsent. "Ich erinnere jeden Tag dieser sechs Monate – den Hunger, den Regen, die Kälte, die endlosen Zählappelle, die Stacheldrahtzäune neben dem Elektrozaun, die Wachtürme, die SS-Offiziere, die uns immer anschrien", schreibt er in seinen Memoiren.

Elf seiner Teamkollegen in München ermordet

Auch das Andenken an die Olympischen Spiele in München pflegt er mit seiner Sammlung. Im September 1972 erlebte der Leichtathlet innerhalb weniger Tage erst den Wettbewerb im 50-Kilometer-Gehen, bei dem er als 19. ins Ziel lief, und dann die Ermordung von elf seiner Teamkollegen durch die palästinensische Terrorgruppe "Schwarzer September". Shaul Ladany überstand das Attentat auch ohne psychische Folgen.

Bis heute hält er den Weltrekord im Gehen über 50 Meilen: Sieben Stunden, 23 Minuten, 50 Sekunden. Erst vor kurzem trat er bei den "European Maccabi Games" in Ungarn an, einer Art jüdischer Olympiade. Erstmals nach 75 Jahren sei er dabei wieder in das Land gekommen, in das seine Familie aus Jugoslawien geflohen war. Damals hätten ihn andere Kinder als "stinkenden Juden" beschimpft, erzählt er. Zurückgekehrt sei er als ein bekannter Professor und Sportler.